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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Herz pumpte nicht schlecht.
    Als hätten sie die ganze Zeit über ein Gespräch geführt, sagte Samson: »Drei Wege kann man gehen.«
    Lace schüttelte wie in einer zufälligen Bewegung seine Schultern. Er wußte, wie Samson war – wie ein Tier. Zeigte man ihm, daß man Angst hatte, griff er an. »Was ist los?« fragte Lace.
    »Man hört sich ein bißchen um, fragt hier und da, und manchmal kommen die falschen Geschichten heraus.«
    »Ich kenne keine Geschichten.«
    »Nein. Siehst du? Das ist einer der Wege, die man gehen kann. Du kennst keine Geschichten, dann bleibst du vielleicht im Bereich, arbeitest mit mir.« Samson zeigte seine gelblichen Zähne. »So wie immer. Kommst zurück, okay?«
    Er kam näher. In seinen kleinen Augen war ein Schimmer, als hätte er sich ein bißchen was von dem Stoff gegönnt, den er verkaufte. Dido hatte das nie getan, während er arbeitete. Aber Samson war nicht Dido, und daran mußte Lace sich gewöhnen.
    »Eine andere Sache«, begann Samson wieder, »ist der Sträfling – redet darüber, wie er den Bereich übernehmen kann, wie man Dido am besten wegbekommt, so was. Geht Dido an den Kragen.«
    Lace dachte, wenn Louis Baker Dido umgebracht hatte, um den Bereich zu bekommen, wäre er dann nicht hier geblieben, um seinen Anspruch geltend zu machen? Aber er fragte: »Und das dritte?«
    Ein kalter Wind in Laces Rücken blies ein paar Blätter und Papierfetzen über die Straße. Samson fixierte Lace, seine glühenden Augen wurden noch kleiner. »Keine drei Geschichten«, sagte er. »Nur zwei. Ich sage dir, erzähl niemandem von einer dritten.«
    Lace fragte sich, ob die Waffe, mit der Dido erschossen worden war und von der er ursprünglich angenommen hatte, sie gehöre Louis Baker, ob diese Waffe – Samsons Waffe – sich noch im Bereich befand. Und ob er sie finden würde. Er ballte die Fäuste in den Jackentaschen, löste sie wieder und kämpfte gegen das Frösteln an, das ihn zu übermannen drohte. »Ich habe verstanden«, sagte er. »He, ich habe dich verstanden. Es ist Zufall.«

19
     
    Das Bild von Eddie stand noch immer auf Frannies Kommode. Sie war von der Arbeit nach Hause gekommen, zog sich jetzt um, Jeans und Sweatshirt, und bemerkte zum erstenmal, daß ihr die Kleider nicht mehr richtig paßten. Sie wollte nach einer Parfümflasche greifen, als ihr Blick auf das Foto von Eddie fiel. Die Hand noch ausgestreckt, erstarrte sie.
    Der Schnappschuß zeigte Eddie, wie er unten bei Dune Beach in den Wagen eines Freundes stieg. Ein Bein schon im Inneren des Autos, hatte er sich noch einmal umgedreht, um auf eine Bemerkung zu antworten, die Frannie ihm zugerufen hatte. Er lächelte sein strahlendes Lächeln, der Wind wirbelte sein Haar durcheinander, der Kragen seiner Jacke war hochgestellt. Sie hatte das Bild vergrößern lassen, und es war ein wenig unscharf, was den Eindruck der Flüchtigkeit verstärkte.
    Sie ließ das Parfüm, sah ihrer Hand zu, die den Rahmen des Bildes umfaßte. Sie nahm es mit zum Bett, setzte sich, hielt es in ihrem Schoß. Eddie wirkte auf der Fotografie so jung, wie achtzehn vielleicht. Sie schloß die Augen. Es war schwer, sich vorzustellen, daß sie gleich alt gewesen waren und daß Eddie für immer acht Monate älter bleiben würde als auf der Fotografie. Frannie dagegen fühlte sich, als wäre sie um ein ganzes Leben gealtert.
    Aber die Schwangerschaft half ihr, ihr Zeitgefühl in Ordnung zu halten. Das Baby, Eddies Baby, wuchs so langsam, daß es sie bisher kaum verändert hatte. Sie sah auf das Foto, da war er wieder, ihr Mann, winkte ihr zu, meldete sein Recht auf ein wenig Raum in ihrem Leben an, umgab sie mit seinem Charme, und sie ließ ihn wieder ein Stück hinein.
    Die Trauer über Eddies Tod hatte eine andere Wirkung auf sie gehabt, als sie erwartet hatte. Sie hatte festgestellt, daß es nur eine Möglichkeit für sie gab, damit fertig zu werden, ohne die ganze Zeit zu weinen: Sie durfte nicht mehr an ihn und ihr gemeinsames Leben denken, durfte sich nicht daran erinnern, wie es gewesen war, wie sie zusammen gewesen waren. Sie mußte weiterleben, nach vorn schauen.
    Wenn sie sich – was selten vorkam – der Erinnerung an ihn überließ, ihn für einen Moment in ihre Gedanken zurückkehren ließ, übermannte sie der Zorn. Warum hatte er sich in Dinge einmischen müssen, die ihn nichts angingen? Sie hatte gedacht, sie hätte seinen Idealismus geliebt, aber genau der Idealismus hatte ihn umgebracht, und so versuchte sie sich einzureden, sie

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