Die Rache
einfach zu seinem gewöhnlichen Tagesablauf zurückkehren. Falls er ihn für tot hielt …
Er hielt inne.
Er überlegte, ob er Abe noch einmal anrufen sollte … Vergiß es. Geh zur örtlichen Polizei, berichte von Rustys Mordversuch, erstatte Anzeige. Die sollen sich darum kümmern. Zum Teufel mit Rusty.
Aber wenn es vorher schon eine persönliche Angelegenheit zwischen ihnen gewesen war, dann war es das jetzt, nach der Begegnung mit Rusty, erst recht. Er wollte ihn kriegen, wollte ihn für seine Intrige dranbekommen, nicht nur für die Verbrechen, die er begangen hatte. Außerdem hatte auch Abe eine Chance verdient, nachdem er sich die ganze Zeit mit Ray Weir und Johnny LaGuardia und Hector Medina und Louis Baker hatte herumschlagen müssen. Hardy würde sich Rusty holen und ihn Abe bringen.
Er hatte Abe gebeten, gleich nach seiner Ankunft ins El Sol zu kommen. Abe erwartete wahrscheinlich, Rusty hier im Zimmer vorzufinden, gefesselt und fertig zum Abtransport. Er würde Hardy vergeben, wenn Rusty tatsächlich hier wäre.
Hardy trug trockene Jeans, Turnschuhe, die ein bißchen eng waren, und ein langärmeliges Armani -Hemd, das Jane ihm geschenkt hatte. Vermutlich war es für immer von dem Blut ruiniert, das durch den Verband drang, den er sich um den Arm gelegt hatte. Zu schade. Er musterte sich in dem bräunlichen, angeschlagenen Spiegel. Er hätte gut zu Miami Vice gepaßt. Er gefiel sich. Auf dem Weg nach draußen schnappte er seine hellbraune Windjacke.
Der Samurai stand ein ganzes Stück den Hügel hinauf an der Straße, die beim Büro des El Sol begann. Ein langer Weg durch die stille, dunkle Straße.
Er tastete unter den Kotflügel auf der Fahrerseite. Noch da. Er setzte sich auf den Fahrersitz und schob die Patronen, die er unter dem Boden des Handschuhfachs verborgen hatte, in die Kammern. Er glaubte nicht, daß er auf Rusty schießen würde, wenn er ihn traf, aber es war besser, endlich zu begreifen, daß Rusty sich verändert hatte, und ihn nicht mehr zu unterschätzen. Der nette Bursche von damals, der nur ein bißchen gestolpert war, hätte ihn gestern nacht fast umgebracht, und er hatte nicht vor, das noch einmal geschehen zu lassen.
Der Himmel hinter ihm wurde heller. Er hörte, wie etwas auf das Stoffdach des Autos fiel. Ein langer, dunkler Umriß erschien oben an der Windschutzscheibe, und Hardy klopfte mit der Hand dagegen. Eine Eidechse. Sie flitzte von der Kühlerhaube hinunter in das Laub am Straßenrand. Hardy fröstelte. Fahr endlich los, dachte er, auch wenn du nicht weißt, wohin.
Der Motor sprang sofort an, und Hardy legte den ersten Gang ein. Nur zu sitzen und zu warten, und sei es auch nur für einen kurzen Moment, raubte ihm die Energie. Er mußte eine Menge Blut verloren haben, aber nicht soviel, daß es ihn wirklich schwächte. Er war müde, weil er seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war und in dieser Zeit viel erlebt hatte, mehr als sonst. Aber er war an langes Aufbleiben gewöhnt, denn mindestens einmal im Monat verbrachten Moses und er eine ganze Nacht im Shamrock und unterhielten sich bis zur Morgendämmerung.
Jedenfalls hoffte er, daß er daran gewöhnt war.
An der Ecke bremste er, weil ihm eingefallen war, daß es eine Person in Acapulco gab, die vielleicht eine Ahnung hatte, wo Rusty steckte.
Er wußte, wo er sie finden würde. Das Problem war, daß es vielleicht schwierig werden könnte, sie zu wecken.
Wann hörte nur endlich dieses Klopfen auf!
Zwischen den Rändern der Vorhänge schimmerte schwaches Licht hindurch, das dumpfe graue Licht eines frühen Morgens, trotzdem konnte er alles im Zimmer sehen. Er fühlte sich, als hätte er höchstens zwei Stunden geschlafen. D. C, die es hundertprozentig wert gewesen war zurückzukommen, lag neben ihm, auf die andere Seite gedreht, nackt, unbedeckt. Er strich mit der Hand über ihre Taille, und sie gab ein verschlafenes, schnurrendes Geräusch von sich.
Wieder klopfte es. Rusty lauschte. Irgendwer war schon aufgestanden und spielte Tennis, und er hörte das rhythmische Plopp , mit dem der Ball geschlagen wurde. Das also war das Klopfen.
Nein, es kam von der Tür. Jemand klopfte an die Tür. Zum Teufel, wie spät war es.
» Sir? «
» Servicio, señor. «
D. C. rührte sich. »Was ist?« fragte sie.
»Der Zimmerservice.«
Sie murmelte, die hätten sich im Zimmer geirrt. Rusty versuchte, falsches Zimmer‹ auf Spanisch zu sagen, aber es klappte nicht. Der Kerl klopfte wieder.
D. C. stöhnte und
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