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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Hose anzuziehen.
    »Wohin gehst du?«
    Normalerweise fragte Flo nicht, rührte sich nicht einmal, wenn Abe mitten in der Nacht aufstand und fortging, um – beispielsweise – einen Verdächtigen zu verhören. Aber sie waren erst an diesem Tag aus Los Angeles zurückgekommen, und Abe schien sich für den Job zu interessieren, den sie ihm angeboten hatten – irgendeine Art von Sondereinheit, Koordination, Beratung. Er hatte gesagt, seine aktuellen Fälle seien gut aufgehoben. Wohin also ging er mitten in der Nacht?
    »Hardy«, sagte er.
    »Was ist mit Hardy? Wo ist er?«
    »Er ist in Acapulco. Rusty Ingraham hat versucht, ihn umzubringen.«
    Während er ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche warf, berichtete er, was Hardy erzählt hatte. Sie zog die Decke um sich und schlug die Beine unter.
    »Was erwartet er jetzt von dir?«
    »Daß ich hinfahre.«
    »Wozu?«
    Abe setzte sich auf das Bett und band sich den Schuh. »Rusty abholen.«
    »Rusty abholen«, wiederholte Flo, »in Acapulco? Wie stellst du dir das vor?« Dann fragte sie, als würde sie sich erst jetzt an alles erinnern: »Ist Dismas in Ordnung?«
    »Es scheint im gutzugehen.« Er wandte sich zu ihr um. »Würdest du den Flughafen anrufen und fragen, wann die nächste Maschine geht?«
    Er ging ins Badezimmer, um sich zu rasieren. Als er zur Hälfte fertig war, trat Flo neben ihn. »Mexicana, zwanzig nach sieben.«
    »Gut, dann habe ich noch etwas Zeit. Wie wär’s mit einem kleinen Frühstück?«
    »Du hast mir noch nicht erzählt, wie du das mit Rusty machst.«
    Abe verzog das Gesicht zu Grimassen, als er vorsichtig um die Narbe herum rasierte.
    »Weise Voraussicht«, sagte er endlich. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, tastete blindlings nach einem Handtuch. Flo nahm eines vom Haken und legte es ihm in die Hände. »Ich weiß es nämlich nicht. Ich weiß nur, daß wir ziemlich geschickt vorgehen müssen.«
    Im Schlafzimmer nahm er ein langärmliges purpurrotes T-Shirt aus einer Schublade. »Hardy kennt mich ziemlich gut«, sagte er. »Rusty gehört mir.«
    »Aber du hast da unten doch überhaupt keine Befugnisse. Warum beantragst du nicht einfach einen Haftbefehl und läßt ihn ausliefern?«
    »Weswegen?«
    »Wie wär’s mit Mord?«
    »Mord ist gut«, stimmte Abe zu, »nur daß er nicht wegen Mordes gesucht wird. Wir könnten sagen, wir wollen ihn in einem Mordfall verhören, aber dafür liefern sie ihn nicht aus. Ganz abgesehen davon, daß eine Auslieferung, wenn man Pech hat, ein Jahr dauern kann. Haben wir Fisch? Ein Sandwich mit Frischkäse und Fisch wäre jetzt genau das Richtige. Und ein bißchen schwarzen Tee könnte ich auch vertragen.«
    »Abe.«
    Er klopfte neben sich auf das Bett, und Flo setzte sich. Er legte den Arm um sie. »Er gehört mir. Er ist am Leben und hat versucht, Diz umzubringen, und das weist stark darauf hin, daß er Maxine Weir getötet hat. Das hast du eben selbst angedeutet. Hätte er nicht versucht, Diz zu töten, wäre ich immer noch nicht sicher. Aber er hat es versucht …« Abe zuckte die Schultern. »Wenigstens meinem Seelenfrieden zuliebe muß ich mit ihm sprechen.«
    »Nimmst du deine Waffe mit?«
    »Hardy hat eine.«
    »In Mexiko? Wie hat er …?«
    Er streichelte ihre Schulter. »Er ist ein findiger Bursche, unser Diz. Und erspart mir damit den Ärger mit der Fluggesellschaft, den bürokratischen Mist wegen einer Erlaubnis und so weiter.«
    »Aber wie erklärst du, woher die Waffe kommt, wenn du sie benutzt?«
    Abe stand auf. »Wir stecken voller guter Fragen heute.«
    »Also?«
    »Also werden wir darüber nachdenken müssen.«
     
    Hardy hörte in der Ferne einen Hahn krähen. Es war noch dunkel. Die Socke, die er über seinen rechten Fuß zu streifen versuchte, verstärkte den Druck des Verbandes. Der Schnitt an der Seite des Fußes, vom Knöchel bis zum kleinen Zeh, war tiefer, länger und häßlicher als die Schnittwunden am Arm. Die Sohlen beider Füße waren vom Laufen aufgeschürft.
    Er war ein bißchen nervös, weil er Abe nicht gesagt hatte, daß er nicht wußte, wo Rusty jetzt war. Beim Abendessen hatte Rusty geprahlt, er habe ein Haus direkt am Strand, acht Kilometer nördlich der Stadt. Also hatte Hardy beschlossen, die Küstenstraße hochzufahren und nach dem verräterischen Volkswagen Ausschau zu halten. Natürlich konnte der Wagen auch in einem Schuppen, einer Garage oder im Gelände oder sonstwo stehen. Dann mußte er zurück zum Stadion, denn Rusty hielt ihn für tot und würde wahrscheinlich

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