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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Hilfe an, und plötzlich kommt eine Aufstellung über zehn Stunden oder so, und Geld dafür gibt es nicht.«
    »Das ist mein erster Mordfall«, entgegnete Ling. »Ich interessiere mich für den Ablauf. Ich würde Sie dafür bezahlen, zusehen zu können.«
    »Nun ja, das ist auch nicht nötig.« Erneut warf Bourke einen Blick auf seine Notizen. »Das Problem ist, daß wir so gut wie fertig sind.«
    »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Keine Leiche, und danach haben wir in der Hauptsache gesucht. Es fällt schwer zu glauben, daß diese Strömung einen Körper hinaus in die Bucht treiben könnte. Aber wir haben eine Waffe gefunden. Kleines Kaliber, vermutlich die Tatwaffe.«
    Ling wollte etwas tun – zum Teufel, jetzt war er hier, oder nicht? Niemand erinnert sich an jemanden, der nur herumsteht. »Was ist mit den Innenräumen?« fragte er.
    »Was soll damit sein?«
    »Sind nicht alle möglichen Tests gemacht worden? Fingerabdrücke und so weiter?«
    Bourke lächelte. »Ich habe keine genauen Zahlen im Kopf, aber aufgrund von Fingerabdrücken erwischen wir pro Jahr in etwa so viele Leute wie durch Fußspuren.« Als er Lings Enttäuschung bemerkte, fügte er hinzu: »Gehen Sie doch hinunter. Das Boot ist durchsucht worden, aber wenn Sie etwas finden, das Ihnen interessant erscheint, stecken Sie’s in diesen Beutel und bringen Sie’s herauf.« Er gab Ling einen Beweisbeutel aus seiner Jackentasche, der mit einem Reißverschluß versehen war.
    Der Wohnraum des Kahns sah noch genauso aus wie am gestrigen Morgen, aber die Sonnenstrahlen, die jetzt hinter ihm durch die Tür fielen, verliehen dem Raum die Atmosphäre einer Fotografie aus dem letzten Jahrhundert. Außerdem war es heiß. Von irgendwoher drang ein süßlicher Geruch in Lings Unterbewußtsein und ließ ihn fast schwanken, doch nach ein paar Atemzügen stellte er fest, daß der Geruch gar nicht so stark war. Er mochte vom Bilgenwasser stammen, vom Kanal oder von dem Blut, das in die Dielenbretter gesickert war.
    Die Tür zum Flur stand offen, und die Kreidezeichnung an der Stelle, wo Maxine gestorben war, sprang ihm ins Auge. Er sah sie vor sich – den nackten Körper, in dieser grotesken Position verdreht, gestreckt, nach etwas greifend, die metallene Halsstütze wie ein höhnischer Scherz.
    Das Schlafzimmer selbst verriet nichts. Alles, was er sah, war von einer dünnen Schicht schwarzen Staubes bedeckt. Hier war, trotz allem, was Bourke über den Sinn von Fingerabdrücken sagen mochte, das Morddezernat gründlich am Werk gewesen, und das war nicht weiter überraschend. So sah der Job eben aus – jede Kleinigkeit wurde untersucht in der Hoffnung, daß sie eine Geschichte erzählen würde.
    Sie hatten nichts für ihn übrig gelassen.
    Die Hitze war wirklich unangenehm, daher öffnete er die Hintertür und trat auf das Deck. Er sah, daß Bourke am Kanal entlanggegangen und jetzt auf Höhe des Polizeischleppers war und mit ein paar Leuten in gelben Schutzanzügen sprach, die dort den Abfall untersuchten, der vom Grund des Kanals hochgeholt worden war. Diese Leute, so dachte er, hatten sich ihr Geld verdient.
    Er atmete tief durch und ging zurück in die Kajüte. Die Sonne stand jetzt tiefer und fiel direkt durch die Vordertür, aber das grelle Licht war ihm lieber als die drückende, tödliche Hitze. Die umgestürzte Lampe war nicht wieder aufgerichtet worden. Er kniete neben ihr nieder und sah, daß auch sie von einer Pulverschicht überzogen war. Die Glassplitter waren verschwunden – auch die hatte man wahrscheinlich ins Labor gebracht. Enttäuscht setzte er sich auf einen Stuhl neben der Lampe und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
    Nichts.
    Die Kombüse links war offenbar nicht der Prozedur unterzogen worden. Unglücklicherweise war sie sehr klein und sehr sauber. Ein Wasserglas, das auf dem Abtropfbrett neben der Spüle stand, war der einzige Hinweis darauf, daß jemand hier gewesen war. Wahrscheinlich stammte es von einem der Beamten, der wegen der Hitze etwas getrunken hatte. Das Spülbecken selbst war leer – keine schmutzigen Kaffeetassen, keine Teller, Schüsseln oder Töpfe. Wer immer hier gelebt hatte, hatte sein Heim in Ordnung gehalten.
    Ling lehnte sich gegen die Kombüsentür. Was hatte er erwartet? Für die Jungs war es Routine gewesen. Unwahrscheinlich, daß sie etwas übersehen hatten.
    Dann fiel ihm etwas auf. Er trat in die Kombüse und fuhr mit dem Finger über das Fensterbrett: kein Puder. Dagegen waren alle Fenster im Schlaf- und

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