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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Genaugenommen stimmte das natürlich nicht, er hatte keine Vollmacht oder etwas in der Art. Aber Treadwell mochte, wenn er wollte, ruhig glauben, Medina sei Anwalt. Anwälte stellen keine Bedrohung dar. Als Anwalt würde er eingelassen werden. »Ich würde gern ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wenn Sie so freundlich wären, die Tür zu öffnen.«
    Er wartete.
    »Einen Augenblick.«
    Er hörte das Geräusch einer Schublade, die geöffnet und geschlossen wurde. Eine Sekunde später ging die Tür auf.
    Treadwell war groß und schlank, aber nicht dürr. Er sah aus, als hätte er in seiner Jugend die meiste Zeit im Freien gearbeitet. Er war ungefähr in Hectors Alter, vielleicht auch ein paar Jahre älter oder jünger, und hatte volles schwarzes Haar und einen straffen, kräftigen Körper, der in Shorts und einem T-Shirt von Gold’s Gym gut zur Geltung kam. Ein gottverdammter kleiner Pudel kläffte Hector ohne Unterlaß an.
    »Poppy, sei still.«
    Hector sah sich in der Wohnung um. Alles in Weiß. An den Wänden hingen Tierköpfe, die aussahen, als wären sie bei Cost Plus gekauft worden. Dazu ein paar einschlägige Gemälde mit Phallussymbolen. Irgendeine seltsame Musik – er wußte nicht, wie er sie beschreiben sollte – spielte im Hintergrund. Und überall Leder und Chrom, weiße Leisten, High-Tech-Geräte.
    Der Hund hörte auf zu kläffen. Hector streckte die Hand aus, und Treadwell schlug mit festem, trockenem Griff ein.
    »Kann ich Ihnen was anbieten? Wein vielleicht? Stag’s Leap Chardonnay . Nicht schlecht. Jahrgang dreiundachtzig.«
    »Gern.«
    Der Bursche schien nervös zu sein, so, wie er vor sich hin brabbelte, während er aus dem Schrank neben der Küchentür ein Glas holte. Unter dem Schrank war eine Kommode mit ein paar Schubladen. Treadwell öffnete eine, schob sie schnell wieder zu, öffnete die nächste, durchsuchte sie und zog einen Glasuntersetzer hervor.
    Nervös wäre gut, dachte Hector. Und es wäre nur gerecht.
    »Ich kann die Leute nicht verstehen, die sagen, man solle Weißwein nicht altern lassen oder der Jahrgang kalifornischer Weine sei unwichtig. Besonders bei Cabernets und Chardonnays ist das nichts als überholter Snobismus, wenn Sie mich fragen. Ein alter Chardonnay wie dieser schlägt die jüngeren um Längen …«
    Eindeutig nervös, stellte Hector fest, nahm den Wein und setzte sich in einen der weißen Ledersessel, die um das Kaffeetischchen standen.
    Das Weinglas war rauchgrau getönt und bauchig, der Stiel nicht dicker als ein Pfeifenreiniger. Weil Hector fürchtete, er könne ihm in den Fingern zerbrechen, schloß er die Hand um den Kelch, als er trank. Es schmeckte nach Wein, zugegeben.
    Treadwell ging um den Tisch herum und setzte sich auf die Couch, so daß der Tisch zwischen ihnen stand. Der Pudel sprang ihm auf den Schoß, und er streichelte ihn, während er trank. »Bitte nehmen Sie auch von der Pastete.«
    »Eigentlich …« – Medina beugte sich vor – »… bin ich hier, um über Clarence Raines zu reden.« Natürlich hatte Clarence ihn nicht wirklich geschickt. Clarence war ein anständiger Junge, der sich an die Spielregeln hielt, und weil er das tat, war er im Begriff zu verlieren – oder hatte vielleicht schon verloren. Clarence hatte eine Frau und zwei Kinder und würde sich einen Anwalt nehmen, gegen diese verdammten Anschuldigungen kämpfen und sie vielleicht sogar entkräften wie er, Hector, vor sieben Jahren.
    Und dann würde der Sieger verlieren. Er würde die Anschuldigungen entkräften und trotzdem verlieren und Sicherheitsbeamter werden oder Schlimmeres und nicht länger zu den Menschen gehören, die sich um das, was sie taten, scherten, und sein Leben würde trist werden.
    So jedenfalls war es Hector ergangen.
    Bis Clarence gekommen war und ihn um Rat gefragt hatte. Das hatte zum ersten Mal seit Jahren wieder etwas in ihm bewegt, ihn an das erinnert, was Ingraham ihm angetan hatte. Ingraham.
    Dann hatte dieser Kerl heute morgen herumgeschnüffelt, Hardy. Seltsam, wie eine Sache manchmal einfach nicht sterben wollte, bevor man sie nicht eigenhändig schlafen schickte. Auf Nummer Sicher ging.
    Deshalb saß er hier. Um die Chancen zu verbessern, auf Nummer Sicher zu gehen. Plötzlich hatte sich das Grau gelichtet wie der Nebel am frühen Morgen. Clarence hatte ihn nicht angeheuert, und doch vertrat Hector ihn und seine Interessen. Das war so sicher wie die Hölle.
    Treadwell nippte an dem bauchigen Glas. »Ich weiß nicht, ob ich mich über Mr. Raines

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