Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Bill Clinton während
des Whitewater-Skandals vertreten hatte und auch Goldman Sachs im Betrugsfall
gegen die Börsenaufsicht. Er engagierte außerdem John Keker und Elliot Peters,
zwei Prozessanwälte, die bei Dopingfällen in der Baseball-Profiliga gegen den
Staat angetreten waren. Sie verstärkten ein Team, das bereits aus Tim Herman,
Bryan Daly und Robert Luskin bestand, die Karl Rove, den Berater von US -Präsident George W. Bush, im Fall um die Enttarnung
von Valerie Plame verteidigt hatten. Kurz gesagt, besorgte sich Lance die
besten Anwälte, die man für Geld bekam.
Das war sein neues Postal-Team, und anscheinend trieb er die Anwälte
genauso hart an wie uns damals. Sie veröffentlichten Stellungnahmen, in denen
sie die Frage aufwarfen, warum die US -Regierung
sich um zehn Jahre alte Radrennen kümmern sollte, und beklagten die
Verschwendung von Steuergeldern. Lance übte inzwischen weiterhin Druck über die
Medien und seine Beziehungen aus. Er spielte Golf mit Bill Clinton und ließ
keine Gelegenheit aus, um sich mit den höchsten Staatsdienern, einem Promi oder
einem Wirtschaftsboss zu treffen. Er lud einflussreiche Vertreter der
Radsportmedien zu privaten Gesprächen in sein Haus ein, und er schickte
fröhliche Tweets an seine über drei Millionen Followers. Er handelte nach dem
Motto »Frechheit siegt«: Er machte einfach weiter und tat so, als gäbe es die
Untersuchung nicht.
Manchmal gewannen Lance’ alte Instinkte jedoch die Oberhand. Als
Novitzky nach Europa reiste, verschickte Lance einen Tweet: Hey
Jeff, como estan los hoteles de quatro estrellas y el classe de business in el
aeroplano? Que mas necesitan? (Hey, Jeff, wie sind die
Vier-Sterne-Hotels und die Business Class im Flugzeug? Was brauchen Sie sonst
noch?) Typisch Lance: irgendwie witzig, aber eine Spur zu überheblich, vor
allem weil Novitzky Economy flog und in derart billigen Hotels abstieg, dass
einer seiner Kollegen im Anzug schlief, um sich keine Bettwanzen einzufangen.
Doch es sickerte immer mehr durch. Im Januar veröffentlichten Selena
Roberts und David Epstein von Sports Illustrated einen größeren, gut recherchierten Artikel über die Untersuchung, der einiges
an interessantem neuem Material enthielt, darunter:
– Eine
Schilderung des Motorola-Fahrers Stephen Swart darüber, wie Lance das Team 1995
dazu gedrängt hatte, EPO zu nehmen. Swart erinnerte
sich auch daran, dass Lance am 17. Juli 1995, vier Tage bevor er eine Etappe
der Tour de France gewann, einen Hämatokritwert von 54 oder 56 hatte.
– Einen Vorfall
von 2003 im Flughafen von St. Moritz, als Lance und Floyd unerwartet von
Schweizer Zollbeamten durchsucht wurden. (Ein Vorteil der Privatjets, so war zu
lesen, seien die weniger strengen Zollkontrollen.) In einem Seesack hätten die
Beamten eine Packung Spritzen entdeckt, außerdem Medikamente mit spanischer
Aufschrift. Die beiden überzeugten die Beamten, dass es sich hierbei um
Vitamine handelte und die Spritzen für Vitaminspritzen gebraucht würden. Man
ließ sie passieren.
– Floyds Bericht
darüber, wie Ferrari von seinen Befürchtungen erzählte, dass Lance’ Hodenkrebs
von Steroiden verursacht worden sei.
– Die Aussage
eines Informanten, der über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bescheid
wusste, dass Lance in den späten 1990er-Jahren Zugang zu einem blutbildenden
Mittel namens HemAssist gehabt habe, einem neuen Medikament, das sich damals
noch in der klinischen Erprobung befand. »Wenn jemand etwas Besseres als EPO herausbringen wollte, wäre dies das ideale Produkt«,
sagte Dr. Robert Przybelski, Leiter der Abteilung für Hämoglobintherapie bei
Baxter Healthcare, wo das Medikament entwickelt wurde.
Lance antwortete über Twitter auf seine übliche Art: Erst
tat er alles mit einem Schulterzucken ab (er schrieb auf seinem Twitteraccount: »Das war alles?«) und legte dann frech nach: »Toll, dass @usada den Behauptungen von @si nachgeht. Ich freue
mich auf meine Rehabilitation.«
Ab und zu erkundigte ich mich bei Novitzky nach dem Stand der Dinge.
Er erzählte mir nicht viel. Er verhielt sich in dieser Hinsicht sehr professionell.
Aber im Lauf der Monate lernten wir uns besser kennen. Er war immer freundlich
und entspannt und hilfsbereit. Wir sprachen nicht nur über den Fall. Wir
unterhielten uns über die Volleyballspiele seiner Tochter, seine eigene
Karriere im Sport (er war Hochspringer gewesen und hatte einmal 2,13 Meter
übersprungen). Er sagte oft
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