Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
die von George). Alles in allem aber war das, was dort
aufgeboten wurde, ziemlich schwach. Einerseits lag das daran, dass sie nicht
gerade viele Fakten parat hatten, andererseits hatten sie es versäumt, sich den
Twitter-Namen Facts4Lance schützen zu lassen. Freunde
von Floyd Landis kaperten ihn daher rasch und steuerten ihre einzigartigen
Zwischenrufe bei. Facts4Lance geriet schon bald ins
Stocken und wurde schließlich eingestellt. Ein wenig überrascht war ich, weil
ich erwartet hatte, Lance würde mich persönlich attackieren. Diese Stille
brachte mich zum Nachdenken: Gab er auf? War ihm die Kampflust abhanden
gekommen?
Ich hätte es besser wissen müssen.
Schon im Frühjahr hatte ich eine Einladung der Zeitschrift Outside zu einer Veranstaltung am 11. Juni in Aspen,
Colorado, angenommen. Ich freute mich über diese Gelegenheit, für meine
Trainingsfirma zu werben und ein paar alte Freunde wiederzusehen. Als der
Termin näher rückte, wurde ich jedoch nervös. Ich wusste, dass Lance mit seiner
Freundin Anna Hansen viel Zeit in seinem Haus in Aspen verbrachte. Kurz vor dem
Termin checkte dann ein Freund von mir Lance’ Terminplan und ließ mich wissen,
er würde am 11. Juni in Tennessee ein Hundert-Meilen-Rennen absolvieren, bei
dem um Spenden geworben wurde.
Gut, dachte ich. Also
kreuzen sich unsere Wege nicht.
Es war ein wunderschöner Tag. Mit meinem Kollegen Jim Capra führte
ich eine Nachmittags-Ausfahrt durch die Berge. Sie war auf ein mittleres bis
fortgeschrittenes Leistungsniveau ausgerichtet, aber dann schloss sich uns noch
eine ehrgeizige Anfängerin an, eine junge Frau namens Kate Chrisman. Sie trat
mit Tennisschuhen und einem alten Rad mit Pedalhaken an. So fuhr sie mit, und
trotz ihrer Bedenken, sie könnte uns bremsen, schlug sie sich großartig.
Nach der Rückkehr machten Jim und ich es uns mit der übrigen Truppe
im Hotel Sky bequem und genossen die Abendsonne. Dabei traf ich zufällig Erich
Kaiter, meinen Zimmergenossen von der Highschool und jetzigen Nachbarn in
Boulder. Wir hatten noch keine Pläne fürs Abendessen, bis ein Freund von mir
namens Ian McLendon fragte, ob wir uns nicht ihm und ein paar anderen Leuten
anschließen wollten. Wir sagten zu. Bis gegen 20.15 Uhr war unsere Gruppe auf
etwa ein Dutzend Leute angewachsen, und – typisch Aspen – zwei davon waren
Stars aus dem Reality- TV : Ryan Sutter und seine
Frau Trista (aus The Bachelorette und The Bachelor) mit ihren beiden Kindern. Ian suchte das
Restaurant aus, ein kleines Lokal namens Cache Cache, französisch für:
Versteckspiel.
Keiner von uns wusste, dass das Cache Cache Lance’
Lieblingsrestaurant war, sein Stammlokal. Als wir dort eintraten, erkannte mich
die Miteigentümerin, eine Frau namens Jodi Larner. Sofort rief sie bei Lance
an, um ihm zu sagen, ich sei im Lokal. Später war sie bemüht, diesen Anruf als
Gefälligkeit darzustellen, die sie geschiedenen Eheleuten in Aspen routinemäßig
erweise: Sobald eine Hälfte des ehemaligen Paares im Haus sei, benachrichtige
sie die andere, um unangenehme Begegnungen abzuwenden. In diesem Fall aber
hatte ihr Anruf genau die gegenteilige Wirkung. Offenbar war Lance nämlich
gerade aus Tennessee zurückgekehrt. Und sofort nach Jodi Larners Anruf machte
er sich auf den Weg zu mir.
Später malte ich mir den Moment aus, in dem Lance diesen Anruf
erhielt. Ich bin sicher, dass er dachte, ich sei absichtlich ins Cache Cache
gekommen, würde ihn auf diese Art auffordern, vorbeizukommen. Prompt reagierte
er – auf die einzige Art, die er kannte. Und doch überrascht es mich, dass
Lance sofort in sein Auto stieg und zum Restaurant fuhr. Man muss kein
Rechtsanwalt sein, um zu wissen, dass es vielleicht keine so tolle Idee ist,
Kontakt zu mutmaßlichen Zeugen zu suchen, wenn man der Gegenstand umfangreicher
Ermittlungen seitens der Bundesbehörden ist.
Von uns unbemerkt, betrat Lance das Lokal in Begleitung seiner
Freundin Anna Hansen. Er setzte sich, umgeben von ein paar Bekannten, auf einen
Hocker auf der linken Seite der großen U-förmigen Bar, an der reger Betrieb
herrschte. Dort saß er vielleicht knapp zehn Meter von unserem Tisch entfernt
und hatte freie Sicht auf meinen Hinterkopf, während ich aß, trank und mit den
anderen lachte. Gegen 22 Uhr brachen Ryan und Trista auf, um ihre Kinder ins
Bett zu bringen. Wir anderen beendeten in aller Ruhe unsere Mahlzeit und
besprachen dabei, ob wir nicht anderswo noch einen Drink nehmen sollten. Gegen 22.15
Uhr stand
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