Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Antwort. Es geht mir gut.
Wenige Tage später flog ich nach Kalifornien. Ein Interview für 60 Minutes ist eine Mischung aus Luxus und Folter. Man wird
in ein Fünf-Sterne-Hotel gefahren, sitzt in einem Polstersessel, umgeben von
super-netten Produktionsmitarbeitern, die sich darum bemühen, dass man
entspannt ist und es bequem hat, und dann – klick! – gehen die Lichter an, und
sie nehmen dein Leben auseinander, eine Schicht nach der anderen. Pelley
stellte alle unangenehmen Fragen, und ich erzählte ihm die Wahrheit, so gut ich
konnte. Natürlich hatte er es vor allem auf Lance abgesehen, und ich bemühte
mich, seinen Blick auf das vollständige Bild zu lenken, ihm zu sagen, dass
Lance kaum mehr getan hatte als der Rest von uns. Ich wollte ihm die Welt
zeigen, in der wir gelebt hatten.
An einer Stelle sprachen wir darüber, wie ich mich damals, 1997,
dazu entschlossen hatte zu dopen. Ich erzählte Pelley, ich sei so dicht an
meinem Ziel dran gewesen, eine Tour zu fahren, dass es sich wie eine Ehre
angefühlt hätte, als mich der Mannschaftsarzt aufgefordert hatte zu dopen, dass
ich das Gefühl gehabt hätte, ich hätte keine andere Wahl als entweder mitzumachen
oder auszusteigen. Ich fragte Pelley : »Was hätten Sie
getan?«
Ich bin froh, dass ich ihm diese Frage gestellt habe, weil ich
glaube, dass sich jeder, der Doper verurteilt, einmal diese Frage stellen
sollte. Man arbeitet sein Leben lang für den Erfolg, und dann, wenn man ganz
kurz davor steht, wird man vor die Wahl gestellt: Entweder du machst mit, oder
du gehst nach Hause. Was würden Sie tun?
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VERSTECKSPIEL
Der 60 Minutes -Bericht wurde am 22. Mai 2011 gesendet. Neben meinem Interview enthielt er auch Details von George
Hincapies Aussage, in der er den Ermittlern wohl eröffnet hatte, er habe
gemeinsam mit Lance EPO genommen. (George
dementierte den Bericht nicht.) Frankie Andreu trat auf und beschrieb das hohe
Tempo des von EPO angetriebenen Pelotons. Er sagte:
»Ohne EPO zu nehmen, konnte man da nicht gewinnen.« 60 Minutes lieferte auch Einzelheiten zu Lance’
verdächtigem EPO -Test bei der Tour de Suisse 2001
und den danach von der UCI initiierten Treffen
zwischen Lance, Johan und dem Laborleiter, die beim Verschwinden des Tests
hilfreich waren. Lance bot man Sendezeit zur Darlegung seines Standpunkts an.
Er lehnte ab. Ein paar Tage vor der Sendung übergab ich meine Goldmedaille der USADA . Sie sollte zu gegebener Zeit bestimmen, wem sie
rechtmäßig gehörte.
Ich sah mir die Sendung in Marblehead gemeinsam mit meiner Familie
und Lindsay an. Meine Familie war natürlich ganz auf meiner Seite, doch ich
hatte keine Ahnung, wie der Rest der Welt die Dinge sah. Jahrelang hatten die
Leute Lance geglaubt. Ich konnte verstehen, wenn sie da erst einmal wütend auf
mich waren, weil ich die harten Wahrheiten aussprach. Als Floyd damals
auspackte, tauchten bei den Rennen Typen auf, die Schilder schwenkten, auf
denen Ratten abgebildet waren. Was würde ich da wohl erleben?
In den folgenden Tagen spürte ich, wie die Leute mich musterten,
mich erkannten. Als ich am Bostoner Flughafen in der Ticket-Warteschlange
stand, kam ein Mann auf mich zu, gab mir die Hand und gratulierte mir, weil ich
die Wahrheit gesagt hatte. Im Flugzeug reichte mir jemand von der anderen Seite
des Ganges einen Zettel: Ich schätze Ihre Ehrlichkeit. Sie
haben das Richtige getan. Auf Facebook hinterließen die Menschen
Dutzende und Aberdutzende positiver Kommentare. Ein paar Tage später schicken
mir meine Eltern einen fünf Zentimeter hohen Stapel ausgedruckter E-Mails und
Briefe, die sie erhalten hatten. Ehrlich, wie die Hamiltons nun einmal sind,
sortierten sie die negativen Mitteilungen nicht aus. Einige der Absender
griffen mich an; sie meinten, ich müsse doch lügen, weil ich schon früher
gelogen hätte. Aber die überwältigende Mehrheit reagierte positiv. Da fielen
Worte wie »Mut« und »Schneid«, Begriffe, die ich im Grunde nie auf mich bezogen
hätte. Aber es tat gut, sie zu lesen.
Auch Lance und sein Team reagierten. Fabiani sagte, ich hätte 60 Minutes hinters Licht geführt, und beschuldigte mich,
ich würde »Quatsch für Cash« erzählen. Von CBS verlangte er einen Widerruf (eine Forderung, die rundweg abgelehnt wurde) und
sang dabei die übliche Leier von der Verschwendung von Steuergeldern. Sie
stellten auch eine Website zusammen, Facts4Lance, auf
der sie versuchten, meine und Frankies Glaubwürdigkeit zu untergraben
(allerdings nicht
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