Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
»Tut mir leid, tut mir leid. Ich
bin Radfahrer. Ich verkaufe Fahrräder, aber ich verstehe nicht, was Sie wollen.
Ich sage auf Wiedersehen.« [Legt abrupt auf.]
Einige Wochen später rief ich Maire abermals an. Als ich auf
die Tour 1999 zu sprechen kam und ihm erzählte, was Hamilton erzählte, wies
Maire mehrfach darauf hin, dass er sich in Frankreich und nicht in den USA
aufhalte.
»Das ist ein verdammter Witz. Ich bin niemand. Nur ein
unwichtiger Typ in Frankreich; ein guter Mechaniker, mehr nicht.«
Maire gab zu, auf der Siegesfeier des Postal-Teams im Pariser
Musée d’Orsay dabei gewesen zu sein. Als ich anmerkte, es sei vielleicht ein
wenig ungewöhnlich, dass Armstrongs Gärtner und Mechaniker 1000 Kilometer weit
reise, um an der Siegesfeier des Teams teilzunehmen, erklärte Maire, er sei
nach Paris gekommen, um sich die Schlussetappe anzuschauen. Als ich Maire
fragte, ob Hamilton und Livingston ihm eine Rolex geschenkt hätten, lachte er.
»Nein, nein, nein, nein, nein!«, sagte er. »Niemand kauft mir
Rolex. Niemand, haha. Aber wenn Sie jemanden kennen, der mir eine kauft, ja
gerne. Ich mag auch Cartier, haha, Chanel, Gautier, ganz klar.«
2000: DIE SIEGMASCHINE
1 In
seinen Büchern und auf seiner Website behauptet Carmichael, dass er bei allen
sieben Tour-Siegen Armstrongs Coach gewesen sei. In einem Interview mit USA Today beschrieb Carmichael im Juli 2004 ein System, in
dem Armstrong seine Trainingsdaten täglich an Ferrari schickte, der sie dann an
Carmichael weiterreichte, woraufhin dieser die Feinabstimmung vornahm.
In Interviews für das Buch Lance
Armstrong’s War sagte Ferrari allerdings, er habe niemals mit Carmichael
kommuniziert. »Ich arbeite nicht mit Chris Carmichael«, sagte er. »Ich arbeite
für Lance. Nur für Lance.«
Hier folgen Kommentare von Postal-Fahrern zu diesem Thema:
Jonathan Vaughters: »In zwei Jahren erwähnte Lance Chris’
Namen kein einziges Mal.«
Floyd Landis: »Lass gut sein. Carmichael ist ein netter Kerl,
aber er hatte nichts mit Lance zu tun. Carmichael war ein Strohmann.«
Christian Vande Velde: »Chris hatte mit Lance’ täglichem
Training nichts zu tun. Ich glaube, dass seine Rolle eher die eines Freundes
war, mit dem Lance über das große Ganze sprach.«
2 Betsy
stellte Frankie zur Rede, als sie sah, wie er während der Tour de France 1999
bei den Bergetappen fuhr, und fragte ihn: »Wie zum Teufel konntest du in den
Bergen so gut mithalten?« Frankie gab keine Antwort. Betsy zog ihre eigenen
Schlussfolgerungen: Postal hatte ein Dopingprogramm, und das alles ging von
Ferrari und Armstrong aus.
Betsy wurde in den Folgejahren zu einer leidenschaftlichen
Dopinggegnerin und zu einem Quälgeist für Armstrong und Postal. Ihr Engagement
verstärkte sich 2003, als sie David Walsh bei seinem Buch L.A.
Confidentiel unterstützte, und 2005, als sie im Rahmen von Armstrongs
Rechtsstreit mit SCA Promotions zu einer eidesstattlichen
Aussage über die Krankenhaus-Szene von 1996 aufgefordert wurde. Betsy Andreu
wurde im Lauf der Zeit zu einer Art Clearinghaus für Informationen;
Journalisten wie auch mit der Dopingbekämpfung befasste Institutionen erhielten
bei ihr Auskunft.
»Es ist eigenartig«, sagt sie über ihre Rolle. »Lance stellt
mich gerne als fette, verbitterte, besessene Hexe hin, die ihn drankriegen
will. Aber das Einzige, was mich von Anfang an interessiert hat, war, dass die
Wahrheit herauskommt.«
Frankie wiederum nimmt eine andere Haltung ein. Im Gespräch
mit der New York Times legte er 2006 ein
Teilgeständnis ab und berichtete dabei, er sei 1995 in die Verwendung
leistungssteigernder Substanzen eingeführt worden, als er zusammen mit
Armstrong noch für Motorola fuhr. Außerdem gab er zu, sich 1999 mit EPO
auf die Tour de France vorbereitet zu haben. Meistens zieht er es jedoch vor,
über das Thema Doping zu schweigen. Diese Einstellung sorgt in dem kleinen
Ranchhaus, in dem sie mit ihren drei Kindern wohnen, mitunter für
außergewöhnliche Spannungen. Jeff Novitzky, ein Ermittler der Food and Drug
Administration (FDA), einer unter anderem für die
Drogenbekämpfung zuständigen Behörde des US-Gesundheitsministeriums,
befragte Frankie im Sommer 2010 zwei Stunden lang telefonisch. Als das Gespräch
beendet war, machte Frankie auf seine Frau einen erschütterten Eindruck. Sie
fragte ihn, was er gesagt habe. »Ich möchte nicht darüber sprechen«, erwiderte
Frankie. Betsy rief daraufhin Novitzky an und fragte ihn. Novitzky
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