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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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eine
sogenannte Speed Bag reinziehen – sich also einen
Beutel Salzlösung intravenös injizieren – oder ganz einfach nur ein paar Liter
Wasser mit ein paar Salztabletten darin trinken. Wir nannten es »sich
runterwässern«.
    Nach dem Finale der Tour stand ich in einem Pariser Hotel vor dem
Spiegel und betrachtete meinen Körper. Ich hatte schlanke Arme und Beine mit
wirklichen Adern, war hohlwangig und hatte eine neue Härte in den Augen. Ich
ging nach unten und traf mich mit dem Team, Thom Weisel und unseren Sponsoren.
Wir erhoben die Champagnergläser und stießen auf die Leistung der Mannschaft
an. Weisel war zufrieden, aber schon jetzt, das Glas noch in der Hand, sprach
er vom nächsten Jahr, wenn wir es wirklich allen
zeigen würden.
    Als der Frühling 1998 kam, waren zwei der Eurodogs nach Hause
geflogen; sie hatten das Team verlassen. Scott übernahm das
Familienunternehmen; Darren wollte ins Finanzgeschäft einsteigen. George und
ich zogen vom Dee-Luxe-Apartment in the Sky in eine moderne Dreizimmerwohnung
im Stadtzentrum von Girona nahe den Ramblas um. Es tat uns leid, dass die
beiden anderen gingen. Sie waren nette Kerle; wir vermissten sie. Aber wir
lernten dabei auch, wie unsere Welt funktioniert. Manche halten mit, andere
nicht. [5]

4
    ZIMMERGENOSSEN
    Als ich hörte, Lance würde in der Saison 1998 zum
Postal-Team stoßen, war ich begeistert und ein bisschen nervös. Auf den ersten
Blick schien es nur logisch – schließlich waren wir das beste amerikanische
Team, und Lance war der beste amerikanische Radprofi, zumindest vor seiner
Erkrankung. Wir alle hatten mitbekommen, wie er Operationen und Chemotherapie
überstanden und dann die letzten 14   Monate gerackert hatte, um wieder in Form
zu kommen. Wir hatten von seinen Bemühungen um Verträge mit den großen europäischen
Teams gehört und wie Weisel ihn dann für die verhältnismäßig geringe Summe von 200   000
Dollar plus Prämien unter Vertrag genommen hatte. Die große Frage aber lautete:
War Lance noch Lance? Oder hatte der Krebs seinen Körper, seine Persönlichkeit
verändert? Die Antwort erhielten wir am ersten Tag im kalifornischen
Trainingslager.
    »Scheiß auf euch alle!«, schrie Lance und zog davon, während wir uns
abmühten, ihm hinterherzukommen. Und er war stark – wir mussten kräftig in die
Pedale treten, um ihn einzuholen.
    »Mehr bringt ihr Säcke nicht?«, rief er, als wir ihn eingeholt
hatten. »Ihr Weicheier lasst euch von Cancer Boy zeigen, was eine Harke ist?«
    Ich atmete auf. Was hatte ich erwartet – dass Lance kahlköpfig und
mit schwacher Stimme, auf einen Rollator gestützt, angeschlurft kommen würde?
Gut, er hatte ein paar Kilo verloren – seine Arme sahen nicht mehr aus wie bei
einem Footballer –, aber ansonsten war er ganz der Alte, genauso aggressiv wie
immer und stets bereit anzugreifen.
    Wenn Lance irgendwo auftaucht, bringt er Bewegung in die Dinge, die
Raumtemperatur steigt spürbar an. Ich glaube inzwischen, er selbst kann gar
nichts dafür – es ist, als sei er allergisch gegen Ruhe, als fühle er sich
nicht wohl, solange nicht alles in Bewegung ist, und zwar pausenlos. Er hatte
ein Gespür für Schwächen und Fehler und legte stets den Finger in jede Wunde.
Zu allem und jedem fällte er sofort sein Urteil: über die einzig akzeptablen
Frühstücksflocken, die einzig akzeptablen Strecken zum Trainieren, die einzig akzeptablen
Verschlüsse der Bidons [Wasserflaschen, Anm. d. Verlags], darüber, welcher
Betreuer am besten massierte, wo man das beste Brot bekam, wie man Espresso
macht, welche Technologieaktie demnächst anziehen würde … Egal was, er wusste
Bescheid und sagte es einem auch. Was er schätzte, erntete ein anerkennendes
Nicken; was er nicht mochte, kommentierte er mit leicht hochgezogener Oberlippe
und einem Geräusch, das wie pfff klang (das hatte er
wohl bei den Europäern abgeschaut). Für ihn gab es keine Grauzone; alles war
entweder großartig oder schrecklich. Wir witzelten immer, man könne Lance mit
einem einzigen Wort auf die Palme bringen: Mit dem Wort »vielleicht«.
    Am meisten hasste Lance choads. Ich weiß
nicht, woher er das Wort hatte. Vielleicht ist es eine Eigenschöpfung aus chump, »Vollpfosten«, und toad, »Kröte«,
jedenfalls bedeutete es das, wonach es klang. Choads waren Jammerlappen,
Schwächlinge, Typen, die es nicht brachten oder – noch schlimmer – die es nicht
brachten und dann darüber jammerten. Wer sich ein paarmal verspätete oder
Termine

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