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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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tun?
    Im April wurde ich vom Team für das bis jetzt härteste Rennen
aufgestellt: Lüttich–Bastogne–Lüttich, eine grausame Quälerei über 257   Kilometer
durch die belgischen Ardennen, für manche das härteste Eintagesrennen
überhaupt. Ich steckte alle meine Kraft in die Vorbereitung. Das war eine
einmalige Gelegenheit, meine Chancen zu verbessern, ins Team für die Tour zu
kommen. Mein Ziel war die erste oder zweite Gruppe – ich nannte es insgeheim,
eine Eins oder Zwei zu bekommen.
    Ich bekam eine dicke, fette »Vier«, auf paniagua. Gut, zu Anfang
konnte ich noch einigermaßen mithalten, aber als das Rennen erst richtig in die
Gänge kam, landete ich abgeschlagen im Mittelfeld, in der vierten Gruppe. 15
Minuten Rückstand. Marty dagegen fuhr den größten Teil des Tages über in der
ersten Gruppe und kam in der zweiten durchs Ziel. Er war dabei. Nach dem Rennen
stieg meine Frustration in neue Höhen, als ich zusah, wie die weißen Beutel
verteilt wurden. Jetzt konnte ich die Ungerechtigkeit ermessen. Marty war immer
ein paar Gruppen hinter mir gewesen; jetzt war er ein paar Gruppen vor mir. Ich
sah den weißen Beuteln die Anzahl der Sekunden an, die in ihnen steckten. Ich
sah die Kuft zwischen dem, der ich war, und dem, der ich sein konnte. Der ich
sein sollte.
    Es war ungerecht.
    Es war unfair und gemein.
    In diesem Augenblick sah ich meine Zukunft klar vor mir. Wenn sich
nichts änderte, war ich raus. Ich würde mir einen anderen Beruf suchen müssen.
Ich steigerte mich in diesen Gedanken hinein und wurde immer wütender. Nein,
nicht auf Marty – der hatte schließlich nur getan, was viele andere ihm
vorgemacht hatten. Er hatte die Gelegenheit bekommen und sie genutzt. Nein, ich
war wütend auf mich selbst, auf die Welt. Ich fühlte mich betrogen.
    Einige Tage danach klopfte es leise an meine Tür. Pedro kam herein
und setzte sich aufs Bett; Knie an Knie saßen wir da. Er sah mich mitfühlend
an.
    »Ich weiß, wie hart du schuftest, Tyler. Deine Werte sind niedrig,
aber du treibst dich an, den Anschluss zu halten.«
    Ich tat unbeteiligt, aber er wusste, wie viel mir dieses Lob
bedeutete. Er beugte sich vor.
    »Du bist ein erstaunlicher Fahrer, Tyler. Du kannst dich bis an
deine Grenze treiben, auch wenn du völlig ausgelaugt bist; das können nur sehr
wenige. Die meisten Fahrer würden dann aufgeben. Du aber machst weiter.«
    Ich nickte. Es war klar, was als Nächstes kommen würde, und mein
Herz klopfte.
    »Ich denke, du hast vielleicht eine Chance auf die Tour de France.
Aber du musst etwas für deine Gesundheit tun. Du musst dich um deinen Körper
kümmern. Du musst gesünder werden.«
    Am nächsten Tag bekam ich die erste EPO -Spritze.
Es war ganz einfach. Wenige Tropfen einer klaren Flüssigkeit, ein kleiner Pieks
in die Armbeuge. Es war sogar so einfach, dass ich mir ein bisschen blöd vorkam – das war alles? Davor hatte ich solche Angst gehabt? Pedro gab mir ein paar
Ampullen EPO und einige Spritzen mit nach Hause.
Ich wickelte sie in Folie und verstaute sie hinten im Kühlschrank. Kurz darauf
zeigte ich sie Haven, und wir sprachen kurz darüber.
    »Es ist dasselbe wie in einem Höhensimulationszelt«, sagte ich. Das
stimmte natürlich nicht wirklich, denn bei niedrigem Sauerstoffgehalt in einem
Höhensimulationszelt zu schlafen (eine legale Methode, um den Hämatokritwert zu
erhöhen), ist erstens furchtbar umständlich, verursacht Kopfschmerzen und
verbessert zweitens die Blutwerte bei Weitem nicht so stark. Aber wir waren
damals beide mit dieser Ausrede ganz zufrieden. Wir wussten, es war eine
Grauzone, aber schließlich hielt es der Teamarzt für eine gute Sache, gut für
meine Gesundheit. Wir wussten, dass wir die Regeln verletzten. Aber wir fühlten
uns ungeheuer schlau dabei.
    Außer Haven sprach ich mit niemandem über meine Entscheidung – weder
mit Scott, noch mit Darren, George oder Marty. Sie waren zwar vielleicht wie
eine Familie für mich, aber ihnen davon zu erzählen wäre mir irgendwie komisch
vorgekommen, so als bräche ich eine Teamregel. Inzwischen weiß ich: Ich
erzählte ihnen nichts, weil ich mich schämte. Damals kam ich mir allerdings
ziemlich durchtrieben vor. Ich handelte, wie die Europäer gerne sagten,
»professionell«. [3]
    Eine Menge Leute fragen sich, ob EPO gesundheitsschädlich ist. Ich möchte darauf gerne mit einer Liste antworten:
    Ellenbogen
Schulterblatt
Schlüsselbein (zweimal)
Wirbelsäule
Becken
Finger (vielfach)
Rippen
Handgelenk
Nase
    Das sind

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