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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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surreales Gefühl, wie in einer Phantasiewelt. Im
Flugzeug war meine Unpünktlichkeit schon verziehen. Lance war zuversichtlich,
glücklich, aufgeregt, und das war ansteckend. Diese Zuversicht wuchs noch, als
wir in Valencia landeten und am Flughafen vom Postal-Team abgeholt wurden:
Johan, Pepe Martí und del Moral. Sie hatten Sandwiches dabei, Bocadillos – wir
mussten vor dem, was jetzt anstand, etwas im Magen haben.
    Vom Flughafen aus fuhren wir eine halbe Stunde lang durch eine
Sumpflandschaft nach Süden, und Johan und del Moral sprachen über die
Transfusion. Es sei so einfach, sagten sie. So leicht. Und vollkommen sicher,
kein Grund zur Besorgnis. Mir fiel auf, dass Johan mehr mit mir und Kevin
redete als mit Lance, und Lance schien überhaupt nicht zuzuhören. Ich hatte das
Gefühl, dass dies nicht seine erste Transfusion war.
    Wir fuhren zu einem Hotel namens Sidi Saler – es sah aus wie ein
gestrandeter Wal – in der Nähe des Dorfes Les Gavines. Das Haus war luxuriös
und ruhig, noch nicht überlaufen von den Touristen, die es später im Sommer
ansteuern würden. Wir waren bereits eingecheckt worden, nahmen den Aufzug in
den fünften Stock und fanden dort menschenleere Gänge vor. Kevin und ich erhielten
ein Zimmer mit Blick auf den Parkplatz. Lance bekam nebenan ein eigenes Zimmer.
    Ich hatte eine komplizierte medizinische Apparatur erwartet, aber
das hier wirkte eher wie eine naturwissenschaftliche Versuchsanordnung an der
Junior Highschool: eine blaue Plastikkühltasche, ein paar durchsichtige
Infusionsbeutel, Wattebäusche, durchsichtige Schläuche und eine Digitalwaage.
Jetzt war Del Moral am Zug.
    Leg dich aufs Bett, kremple den Ärmel hoch, gib
mir deinen Arm. Entspann dich.
    Er befestigte unterhalb meines Bizeps ein blaues, elastisches Band,
legte einen leeren Infusionsbeutel auf einem weißen Handtuch ab, das neben dem
Bett auf dem Boden lag, und säuberte die Armbeuge mit einem Alkoholtupfer. Dann
kam die Nadel. Ich hatte schon eine Menge Nadeln gesehen, aber diese hier war
riesig, sie hatte in etwa die Größe und die Form eines Milchschäumers. Sie saß
auf einer Spritze, von der ein durchsichtiger Schlauch zum bereitgelegten
Infusionsbeutel führte. Ein kleines weißes Rädchen kontrollierte den Durchfluss.
Ich schaute weg, spürte aber, wie die Nadel eindrang. Als ich wieder hinsah,
floss mein Blut stetig in den Beutel, der auf dem Boden lag.
    Man hört oft, dass der Begriff »Bluttransfusion« in einem Atemzug
mit » EPO « oder »Testosteron« genannt wird, als ob
das alles eins wäre. Dem ist aber nicht so. Bei dem anderen Zeug schluckt man
eine Pille, legt ein Pflaster auf oder bekommt eine winzige Spritze. Aber hier
sieht man zu, wie sich ein großer, durchsichtiger Plastikbeutel langsam mit dem
eigenen, warmen, dunkelroten Blut füllt. So etwas vergisst man nicht.
    Ich sah zu Kevin hinüber, der auf die gleiche Art behandelt wurde.
Im Spiegel der Kleiderschranktür konnten wir uns selbst beobachten. Wir
versuchten, die Spannung abzubauen, indem wir die Geschwindigkeit verglichen,
mit der sich der jeweilige Beutel füllte: Warum geht das bei
dir so langsam? Ich häng dich ab, Mann. Johan ging zwischen den Zimmern
hin und her, schaute nach, wie es uns erging, plauderte.
    Pepe und del Moral knieten sich ab und zu hin, nahmen den Beutel in
die Hände, neigten ihn behutsam vor und zurück und vermischten den Inhalt mit
einem Gerinnungshemmer. Sie gingen so behutsam vor, weil, so erklärten sie es,
die Blutzellen lebten. Wenn man das Blut unsachgemäß behandelte – es schüttelte
oder erwärmte oder länger als etwa vier Wochen in den Kühlschrank legte –,
starben die Zellen ab.
    Es dauerte etwa 15 bis 20   Minuten, bis die Beutel gefüllt waren. Sie
rundeten sich, bis die Waage anzeigte, dass wir es geschafft hatten: 500
Milliliter. Dann folgte das Abhängen, die Nadel wurde entfernt. Einen
Wattebausch nehmen, auf den Einstich drücken. Die Beutel wurden fest
verschlossen und beschriftet und wanderten in die blaue Kühltasche. Del Moral
und Pepe verließen den Raum. Sie sagten nicht, wohin sie gingen, aber wir
nahmen an, dass ihr Ziel die Klinik in Valencia war, wo sie die Blutbeutel in
den Kühlschrank legen würden, bis wir sie dann drei Wochen später bei der Tour
brauchten.
    Ich setzte mich auf, mir war schwummrig. Johan sagte ein paar
beruhigende Worte, er versicherte: »Dieses Gefühl ist normal. Nehmt ein
bisschen Vitamin B und ein eisenhaltiges Ergänzungsmittel. Esst ein

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