Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
goldene Tafel zu Boden und rannte zu seiner Hütte.
Er setzte sich mit dem Rücken zur Lichtung vor den Hütteneingang und unterdrückte heiße Tränen der Wut und Erschöpfung. Das hier war irgendwie schlimmer als die Kämpfe, die Kälte und die Angst. Er fühlte sich beschmutzt, wenn diese Wesen sich vor ihm verbeugten. Er war kein Sklavenhalter, kein Raubritter, kein Zuchthausaufseher.
Arellya näherte sich ihm und hockte sich vor ihn. Ihre zierliche Hand legte sich sanft auf seine Schulter. »Hethor«, sagte sie mit leiser, normaler Stimme.
Er keuchte heftig. »Was ist?«
Sie gab klickende und pfeifende Geräusche von sich, zupfte dann an seinem Ärmel und versuchte ihn herumzudrehen.
Hethor folgte widerwillig ihrer Aufforderung und ging mit ihr zurück zur Lichtung, die noch immer von Arellyas Leuten bevölkert wurde. Viele beobachteten ihn, hatten ihre ehrfurchtsvollen Reihen jedoch aufgelöst. Einige hatten Feuer gemacht, andere bauten sich Unterkünfte aus Dschungelblättern. Eine Gruppe junger Männer stand an der goldenen Tafel, die Hethor in seinem Wutanfall zu Boden geworfen hatte, und hielt mit gezückten Speeren Wache.
Er blickte Arellya an. »Ich danke dir.«
Sie schenkte Hethor ein Lächeln. Dann nahm sie ihn an der Hand und führte ihn von der Lichtung zu einem der Feuerkreise. Schulter an Schulter mit Arellya und ihrem Volk zu sitzen, ließ Hethors Gefühl der Abscheu schwinden und machte ihn zu einem Teil einer Gemeinschaft.
»Wir sind alle Menschen nach Gottes Abbild, nicht wahr?«, fragte er in die Runde.
Klickgeräusche und Pfiffe antworteten ihm.
***
Als Hethor in der stinkenden Hitze des späten Nachmittags zu seiner Hütte zurückkehrte, blieb er kurz bei den jungen Männern stehen, die die Tafel bewachten. Sofort traten sie beiseite und hoben ihre Speere aus seinem Weg, damit er sich der Tafel nähern konnte. Als er sich bückte, hörte er, wie sein Name geflüstert wurde. Erstaunt sah er sich um und sah, dass sich einige der behaarten Menschen näherten, um ihre Verehrung zu bekunden.
Ach, so ist das, dachte Hethor erleichtert. Die Tafel! Sie verehren nicht mich, sondern das Wort Gottes.
Er wunderte sich, dass selbst primitive Wilde aus dem Dschungel die Hand Gottes in ihrem Leben erkennen konnten, während ein kultivierter Theologiestudent wie Pryce Bodean dies bestritt.
»Wer ist nun der Affe, Pryce?«, flüsterte Hethor kichernd. Dann legte er die Tafel wieder hin und bedeutete der großen Gruppe haariger Menschen, sich wieder zu erheben und auseinanderzugehen. Die Speerträger ließ er die Tafel bewachen.
Auch wenn es ihm zuwider war, die Tafel erneut zurückzulassen, so war es doch einfacher, als sich der ehrfürchtigen Aufmerksamkeit der vielen haarigen Menschen zu erwehren. Sie schienen die Tafel ohnehin nicht aus den Augen lassen zu wollen und würden sich als wesentlich bessere Bewacher dieses kostbaren Artefakts erweisen, als er selbst es war.
In seiner Hütte hatte Hethor immerhin Schatten. Abgesehen davon fühlte er sich so unwohl wie noch nie, seitdem er in dieses Dorf gebracht worden war. Doch wenn die Insekten, die Hitze und die Gerüche ihm so sehr zu schaffen machten, war das ein Indiz dafür, dass er sich von seiner Erschöpfung und den Verletzungen endlich halbwegs erholt hatte.
Arellya kam zu der Hütte und pfiff vor dem Vorhang. Hinter ihr ging das Leben im Lager weiter. Sie hatte einen alten Mann mitgebracht, der mit wackligen Beinen vor Hethor stand und dessen schlaffe Kiefer erahnen ließen, dass er keine Zähne mehr hatte.
»Arellya!« Hethor freute sich, sie zu sehen.
Arellya schenkte ihm ihr strahlendes Lächeln. Sie nahm die Hand des alten Manns, hielt ihre ineinander verschlungenen Finger zum Gruß hoch und deutete mit dem Kopf auf ihren Begleiter. »Kalker.«
Hethor begrüßte ihn.
Kalker sagte etwas, das nicht den üblichen Pfiffen und Klicks seiner Sprache ähnelte.
»Was hast du gesagt?«, fragte Hethor und legte eine gewölbte Hand an sein Ohr.
»Salve«, sagte Kalker.
Salve? Das ist Lateinisch, dachte Hethor. Der schreckliche Akzent des alten haarigen Mannes hätte ihm bei Rektor Brownlee allerdings ein paar Stockschläge eingebracht.
»Ah«, sagte Hethor. »Quod velles?« Was willst du?
Es war unhöflich, kurz angebunden und auch noch in der Grundform, aber Hethor war zu überrascht, als dass er gepflegte Konversation in einer Sprache hätte betreiben können, die er nur zu lesen gelernt hatte.
Kalker grinste, sodass nun deutlich
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