Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Taubheit hatte er vielleicht die Sprache Gottes mitbekommen, und nun tanzten die Worte der Tafel an der Grenze seiner Wahrnehmung und warteten nur darauf, von ihm verstanden zu werden.
Wenn man bedachte, dass alles um ihn herum klickte und surrte, schien es Hethor fast, dass dies tatsächlich ein Körnchen Wahrheit enthalten könnte.
Er versuchte mit dem Mund die seltsamen Worte zu formen, deren Verbindungen ungewöhnlicher Buchstaben das Tetragramm darstellten oder auch nicht. Was sollte es bedeuten? Warum schickte Gott oder Gabriel oder ein Botschafter des Himmels ihm diese Nachricht, immer und immer wieder? Die Tafel hatte ihm das Leben gerettet, aber das konnte nicht ihr einziger Zweck sein. Sie musste etwas Größerem dienen.
Auch wenn Hethor keine Antworten auf seine Fragen fand, so fand er dennoch im Angesicht der geheimnisvollen Worte zum ersten Mal seinen inneren Frieden. Er ließ die Tafel auf seiner Brust ruhen und starrte auf die Blätter und Ranken, die ihn umgaben. Er fragte sich, wo er war, wo er hingehen sollte, und welchen Schritt zur Erfüllung seiner Aufgabe er als Nächstes wagen sollte.
»Ich muss das Heft in die eigene Hand nehmen«, sagte er laut, »und mich nicht mehr von den Launen des Vizekönigs oder Malgus’ oder William of Ghents leiten lassen.«
Gabriel hatte ihm die Aufgabe erteilt, den Schlüssel der Ewigen Bedrohung zu finden, nicht einem seiner Feinde. Nicht einmal einem seiner Verbündeten.
Hethor ließ die Muskeln seiner Hand spielen und dachte an die schlüsselförmige Narbe, die die Silberfeder hinterlassen hatte, aber die schützenden Blätter hinderten ihn daran, nachzusehen. Er vermutete, dass die Verletzungen der vergangenen Tage den schwachen Abdruck mit neuen Narben überdeckt hatten.
Arellya schaute durch den Vorhang herein, lächelte ihn an, zog die Blätter und Ranken zur Seite und führte ihn auf eine Lichtung im Dschungel. Der mächtige Strom rauschte in Nähe, war aber nicht zu sehen. Scharen der kleinen haarigen Menschen hatten sich versammelt. Sie standen im Kreis um ihn, Männer und Frauen, Junge und Alte, Eltern und Kinder, alle mit einem kleinen Bündel aus Geschenken und Waffen zu ihren Füßen.
Als Hethor sie mit wachsender Panik beobachtete, verbeugten sie sich vor ihm – auch Arellya –, und ein Chor klickender und pfeifender Töne begrüßte ihn.
»Nein«, sagte er. »Das will ich nicht. Bitte, steht auf. Ihr sollt euch nicht vor mir verbeugen.«
Wie singende Mönche stimmten sie einen Chor an: »Heth-or. Heth-or.«
Er kam mühsam auf die Beine. Als er strauchelte, streckte er die Hände aus, um das Gleichgewicht zu wahren. »Steht auf! Es ist falsch, was ihr tut! Ich bin nicht hier, um euer Anführer zu sein! Ich bin nicht ... Ich bin ...«
Ihm blieben die Worte im Halse stecken. Die haarigen Menschen riefen seinen Namen weiterhin im Chor, die Köpfe auf den Boden der Lichtung gesenkt, die mit Blättern bestreut worden war. Das grelle gelbe Licht der tropischen Sonne brannte auf sie alle hinunter.
8.
Den Rest des Tages versuchte Hethor, die haarigen Menschen daran zu hindern, sich weiterhin vor ihm zu verbeugen und ihn wie einen Gottkönig zu behandeln. Er schrie sie an, was aber nur dazu führte, dass sie seinen Namen im Gleichtakt zu seinen Schreien sangen. Er packte einige an den Schultern und zerrte sie grob auf die Füße, aber sie blickten ihn nur mit ekstatisch verklärten Augen an, bis er sie losließ und sie wieder zu Boden sanken.
In dieser Nacht musste Hethor in seiner Hütte zuhören, wie sein Name im Chor gerufen wurde. Auch der Vorhang aus Blättern und Ranken schützte ihn nicht davor.
Am nächsten Tag ging es so weiter.
»Nein!«, rief er den haarigen Wesen zu, nachdem er wieder zu der Lichtung geführt worden war. »Ich bin nur ein Mensch!«
»Heth-or, Heth-or.« Und diesmal fügten sie »Meeen-sch, Meeen-sch« dem Sprechchor hinzu.
Er rannte über die Lichtung, auch wenn es eher ein zügiges Humpeln war. Sie folgten ihm, und Hethor bemerkte, dass seine Gefolgschaft aus haarigen Menschen stetig anwuchs. Aus dem Dschungel tauchten immer mehr Angehörige des kleinen Volkes auf.
Hethor versuchte, einen Kampf zu provozieren, indem er sie herumschubste und anbrüllte.
Sie grinsten nur und sangen seinen Namen.
Schließlich bekam er einen Tobsuchtsanfall. »Hört auf!«, rief er. »Kann denn niemand von euch mit mir reden?« Er schrie und tobte sprang auf seinen immer noch verletzten Füßen umher; dann schleuderte er die
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