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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Hethor verstand nicht, was geschehen war, und staunte darüber, während um ihn und Arellya herum reges Treiben herrschte. Es wurde gerufen und geschrien, und bald darauf ließ das vergessene Volk seine Kanus und Flöße zu Wasser.
***
    Die Flottille fuhr nicht allein in die braune Flut, sondern wurde von kleinen Booten aus Bananenblättern begleitet, in denen Blumen, Gewürze und brennende Kerzendochte transportiert wurden. Hethor saß ziemlich weit hinten im größten Kanu; hinter ihm befanden sich der Steuermann, vor ihm sechs Paddler. Seine Füße waren mit Blüten übersät. Die goldene Tafel lag in seinem Schoß, aber heute hatte es keine Gebete und Sprechchöre gegeben. Viele Angehörige des vergessenen Volkes hatten sich vor der Tafel oder vor Hethor verbeugt, als sie ihre Boote beluden, aber die zeremonielle Ehrerbietung der ersten Tage war einer gewissen Ungezwungenheit gewichen.
    Arellya saß vor ihm, bis zur Hüfte mit Blumen zugeschüttet. Hethor hatte die Diskussion, ob sie ihn begleiten sollte oder nicht, bereits verloren, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Arellya hatte ihn einfach nur angeschaut und gesagt: »Du folgst der Nachricht, ich folge dem Boten.«
    Hethor war erleichtert, dass der alte Kalker nicht auch noch ins Kanu gestiegen war. »Wenigstens einer hier ist vernünftig«, hatte er gegrummelt, als er an Bord gegangen war.
    Kalker hatte nur den Kopf geschüttelt, wie Hethor es zu tun pflegte, und erklärt: »Alter hat nichts mit Vernunft zu tun.«
    Dann hatten sie vom Ufer abgelegt.
    Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel, denn der Morgen lag bereits weit hinter ihnen, da Hethor lange unschlüssig gewesen war und sich erst spät entscheiden hatte.
    Der Wasserweg war noch beschwerlicher und insektenverseuchter als der Weg durch den Dschungel. Hethor erkannt nun, welchen Zweck die kleinen Boote aus Bananenblättern hatten, denn der Duft aus Früchten und Gewürzen lenkte Insekten von den Reisenden ab, genauso wie die Rauchfahnen des brennenden Öls. Da die wechselnden Strömungen die kleinen Boote aber wie Spielbälle hin und her trieben, war ihr Nutzen nicht allzu groß.
    Jedenfalls war es eine stolze Flottille, die sich flussabwärts bewegte, begleitet vom Eintauchen der Paddel, gelegentlichem Gesang und dem Trommeln auf den Schiffsrümpfen.
    Hethor nahm die goldene Tafel aus ihrem Blumenbett und betrachtete sie eingehend in der Hoffnung, die Sprache des Himmels unter dem Rattern der Zahnräder der Welt auf dieselbe Art zu begreifen, wie es ihm bei Arellyas Sprache gelungen war. Allerdings gab es einen wesentlichen Unterschied: Arellya hatte gewollt, dass er ihre Sprache verstand, die Tafel hingegen begegnete ihm bestenfalls mit Gleichgültigkeit.
    Seelenmagie, hatte Kalker gesagt.
    Hethor wünschte sich, über eine derartige Magie zu verfügen. Eine Magie, die ihm den Weg erleichterte und ihn mit jedem Tag zu einem glücklicheren Mann machte.
***
    In dieser Nacht schlugen sie ihr Lager nicht am Ufer auf, wie Hethor erwartet hatte. Stattdessen rief Arellya die Boote mit einer Reihe unsinnig klingender Schreie zusammen, die eine verschlüsselte Botschaft enthalten mussten, denn Hethor konnte sie nicht verstehen, ob er nun über eine geheimnisvolle Seelenmagie oder das Geschenk göttlichen Hörens verfügte. Langsam und anscheinend mühelos sammelte sich die Flottille und bildete eine Art schwimmende Insel aus Holz und Rinde. Eine überraschend hohe Anzahl kleiner Bananenblattboote begleitete sie weiterhin.
    Seile aus getrockneten und miteinander verflochtenen Ranken wurden durch kleine Knoten im Holz oder durch die Ruderdollen gezogen. Bootsmann al-Wazir wäre entsetzt gewesen, hätte er die äußerst bescheidene Disziplin der Flottenmatrosen und die nahezu völlig zufälligen Ergebnisse ihres Handwerks mit ansehen müssen.
    Der Gedanke an al-Wazir lenkte Hethors Erinnerungen abrupt zurück auf die Bassett . Wer lebte von der Schiffsmannschaft wohl noch? Hatten sie rechtzeitig bemerkt, dass General Gordons Expeditionstruppe bei dem Erdrutsch ein grausames Ende gefunden hatte, nachdem ihr Schicksal ohnehin schon durch die Kristallmaschinen besiegelt worden war? Hethor fragte sich, ob man ihm in einer leidenschaftlichen Rede gedacht hatte, wie es bei den anderen Toten und Vermissten der Fall gewesen war.
    Vielleicht hatte Smallwood die einzig vernünftige Entscheidung getroffen und den Kurs geändert, hatte die überwältigenden Ausmaße der Mauer hinter sich gelassen und war nach

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