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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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England gefahren, hatte sich und die Mannschaft in Sicherheit gebracht vor den herabstürzenden Monstern und todbringenden Lawinen, die man nur aus Legenden kannte. Doch Hethor bezweifelte, dass die Vernunft gesiegt hatte. Nachdem er lange Zeit an al-Wazir und die anderen gedacht hatte, die ihm zur Seite gestanden hatten, löste er sich aus seinen Erinnerungen und kehrte zurück zum geschäftigen Treiben des vergessenen Volkes, das sein Biwak auf dem Fluss fertigstellte.
    Einige junge Männer schwärmten über die zusammengezurrten Boote aus und brachten ihre Speere so an, dass sie als Pfosten genutzt werden konnten. Sie verwoben weitere Ranken und brachten hier und da geflochtenes Schilf und Stücke gefärbten Stoffes als Sichtschutz an – der erste gefärbte Stoff, den Hethor beim vergessenen Volk zu sehen bekam. Bald schon verströmten die Kanus und Flöße die Atmosphäre eines festlichen Dorfmarkts im Sommer, denn sie wirkten wie die schwimmenden Gegenstücke zu Verkaufsständen und Buden, und die Menschen huschten hin und her, um miteinander zu tratschen, sich zu umarmen oder Lieder zu singen, die sie vielleicht erst heute gedichtet hatten.
    Hethor stellte fest, dass er wieder glücklich war. Das Gefühl der Dazugehörigkeit konnte auch nicht der bei Sonnenuntergang aufsteigende Nebel vertreiben. Das vergessene Volk sang Lieder, die der Nacht ihren rechtmäßigen Platz einräumten.
    Plötzlich, völlig unerwartet, verschwand der stinkende Geruch des Flusses und wurde durch eine frische Brise ersetzt. Dann wurde ein ungewöhnliches Festmahl gehalten, schweigsamer als die bisherigen und mit Speisen, die kalt zubereitet und gegessen wurden, aber es passte zur Atmosphäre des Ortes und den Umständen. Da auf den hölzernen Booten natürlich kein Feuer entzündet werden konnte, sang das vergessene Volk den Mond als Licht herbei, begrüßte die schillernden Pfade der Erdumlaufschiene und ihres Trabanten und lachte sich in den Schlaf.
    Auch Hethor legte sich bald darauf nieder, aber nur, um in seinen Träumen verfolgt zu werden. In diesen Träumen schwang William of Ghent eine Silberfeder, groß wie ein Breitschwert, und schnitt damit Hethors Fleisch in Scheiben, die sodann am Hof des Vizekönigs in Boston verteilt wurden.
    Das Rattern der Erdschiene um Mitternacht weckte ihn, denn wie immer hörte er das Geräusch nicht nur in seinem Inneren, sondern auch mit den Ohren. Obwohl sie sich nicht mehr in der Nähe der Mauer befanden, war sie vom Fluss aus deutlich zu erkennen und erhob sich am Nordufer wie ein Dach über den Dschungel.
    Die Geräusche waren vier Sekunden zu spät.
    Die mechanischen Klänge der Mitternacht ließen Hethor an zu Hause denken, an New Haven, und schreckliches Heimweh überkam ihn. Nicht, dass Meister Bodeans schmucklose Dachkammer eine Träne wert gewesen wäre, aber Hethor war so unendlich weit von allem Vertrauten entfernt, von allen Dingen, die er in seinem bisherigen Leben gekannt hatte. Gemeinsam mit haarigen kleinen Menschen auf einem Bett aus Kanus zu nächtigen und einen braunen Fluss hinunter zu reisen, hätte er nicht im Entferntesten für möglich gehalten.
    Arellyas Hände suchten in der Dunkelheit nach seinen und fanden sie. Sie summte ein süßes, tröstendes Lied, das Hethor wieder einschlafen ließ.
***
    Bei Sonnenaufgang wehrten einige der jungen Männer den Angriff eines Krokodils ab, das länger als Hethors großes Kanu war. Sie schafften es sogar, das Tier zu töten. Lautes Jubelgeschrei und Gejohle begrüßten diesen Sieg, gefolgt von der Entscheidung, an Land zu gehen und den Fang zu braten.
    »Eine solche Menge Fleisch und Haut darf nicht verschwendet werden«, sagte Arellya zu Hethor.
    Nach seinen Alpträumen und der Schlaflosigkeit der letzten Nacht war Hethor weniger verständnisvoll als sonst. »Wir alle hatten es eilig, dem Wort Gottes zu folgen, und nun bleiben wir stehen, um Eidechsen zu töten?«
    Arellya lächelte ihn an, und er hatte diesen Gesichtsausdruck als süß zu schätzen gelernt. »Jeder reist auf seinem eigenen Weg«, sagte sie. »Wenn du weiterziehen möchtest, dann tu es. Aber nicht jeder deiner Schritte ist in Eile zurückgelegt worden. Neide uns nicht diesen Augenblick.«
    Also verbrachten sie den Tag am Flussufer. Affen bewarfen das vergessene Volk mit Steinen und Schlamm, bekamen es aber mit gleicher Münze heimgezahlt. Die Affen hausten in großen, über dem Wasser hängenden Bäumen, die Hethor noch nie gesehen hatte. Sie wirkten wie grüne

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