Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
ausgenutzt, hatte sie mit seiner Größe und Kraft eingeschüchtert, auch wenn sein Körper ihm etwas anderes sagte.
Hethor stand auf. Da er sich nicht daran erinnern konnte, wo und wie die Laterne in der Kabine angezündet wurde, suchte er sich in der Dunkelheit seine Kleidung zusammen, bevor er hinaus auf den Gang stolperte. Achtern befand sich eine kleine Kombüse, in der Obst, Brot und Wasser in mundgeblasenen Flaschen aufbewahrt wurden. Hethor war sich sicher, dass das Essen für so viele hungrige Mäuler nicht lange reichen würde.
Er hatte eine Reihe von Probleme zu lösen. Er musste den Kurs des Luftschiffes korrigieren, Treibstoff für dessen geheimnisvolle Maschinen finden und Essen und Wasser für das vergessene Volk besorgen. Auch die Geschehnisse der letzten Nacht waren ein Problem. Er musste Arellya gegenüber mannhaft sein und die Verantwortung für seine Taten und Missetaten übernehmen.
Auf Deck schienen die Dinge weniger beschwerlich zu sein. Ein weiterer prächtiger Tag lag vor ihnen; die sanfte Brise war sogar im Schatten des Tragkörpers warm. Die Küste lag an diesem Morgen weiter entfernt im Osten, war aber noch zu erkennen und eher braun als grün. Eine verdorrte Hügelkette erhob sich aus einer Küstenebene, auf der Dünen und verwelkendes Gras zu sehen waren. Die gewaltigen Wellen des Vortages hatten hier nicht so schlimm gewütet. Sie hatten zwar Strandgut ans Ufer gespült, waren aber nicht sehr weit landeinwärts vorgedrungen. Weit draußen auf dem Meer kreisten die geflügelten Wilden, anscheinend ohne ein besonderes Ziel zu verfolgen, und gerieten nie ganz aus dem Blickfeld.
Arellya war am Bug und blickte hinaus auf den Ozean.
Hethor trat an ihre Seite und beobachtete, wie sie sich streckte, wobei sie ihr Gesicht gegen die Reling drückte. Er bewunderte die perfekte Rundung ihres Hinterteils und kam zu dem Schluss, dass es keine Sünde war, was sie ihm letzte Nacht gezeigt hatte. Hier, auf der Südlichen Hemisphäre, war er in einer anderen Welt.
»Ich wünsche dir Glück an diesem Tag, Bote«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
Er lächelte. »Und einen guten Morgen.«
Sie warf einen Blick über die Schulter, schaute ihn verschmitzt an und klopfte sich auf ihr Hinterteil. »Willst du etwa schon wieder? Ich hätte nichts dagegen.«
Hethor errötete bis in die Haarwurzeln. »Hier ...?«, stammelte er, wie Meister Bodean es vielleicht getan hätte, obwohl Hethor längst beschlossen hatte, das Wunder zu akzeptieren, das Arellya verkörperte.
»Das vergessene Volk feiert sich, wann und wo es will.« Sie klang beinahe ein wenig förmlich. »Die jungen Männer würden dich anfeuern und von dir und deinem ...«
»Nein!«, rief Hethor. Er hatte es damals bei dem Feuer-Ritus in Arellyas Heimatdorf gesehen. Und auch später, denn die jungen Männer hatten sich auf der Reise manchmal gepaart – Hethor hatte keine Ahnung, was er davon halten sollte. In jedem Fall wollte er sich an so etwas nicht beteiligen.
»Bei meinem Volk ist das eine sehr private Sache, die nicht in der Öffentlichkeit stattfindet und schon gar nicht kommentiert werden sollte.«
»Wir sind nicht bei deinem Volk«, sagte Arellya lächelnd. »Und letzte Nacht war nicht privat. Ganz und gar nicht, wenn ich mich recht erinnere.«
»Essen«, sagte Hethor in dem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln. »Wir müssen Essen finden. Ich mache mir Sorgen, dass wir nicht genügend Nahrungsmittel an Bord haben.«
»Salwoo und ein paar andere haben mir berichtet, dass viele Festmahle vorhanden sind.« Arellya zögerte. »Aber wenn die Reise lange dauert, könntest du recht haben. Seit Beginn der Schöpfung hat niemand das vergessene Volk so weit von zu Hause weggeführt. Wir folgen dir, aber hungrige Gefolgsleute neigen dazu, sich das Maul zu zerreißen und zu streiten. Es könnte sein, dass die Festmahle, von denen Salwoo berichtet hat, nicht ausreichen.«
»Wenn wir Ranken finden könnten«, murmelte Hethor. »Dann könnte ich das Boot nach unten bringen, und wir könnten fischen.«
»Ich werde Salwoo auf die Sache ansetzen«, sagte Arellya. »Geht es dir heute gut? Oder habe ich dich überanstrengt?«
»Ich ...« Wieder lief er rot an. Seine Zorn auf seinen Körper wuchs.
»Du bist viel größer als alle, mit denen ich bisher gefeiert habe«, sagte Arellya höflich. »Ich hielt es für möglich, dass die Dinge für dich schwieriger sein könnten.«
»Alle, mit denen du bisher ...?« Nun war er nicht nur verlegen,
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