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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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fallen.
    Eine kleine Gruppe von Angehörigen des vergessenen Volkes drängte sich um ihn. Ihre Wunden dampften in der frostigen Luft. Auf dem Luftschiff war es plötzlich still. Nur das Krachen des Holzes und das angestrengte Atmen der geflügelten Wilden, die weiterhin auf die Stützen einschlugen, war zu vernehmen.
    Das Deck schlingerte erneut und ließ Hethor in die Knie gehen. Die Angehörigen des vergessenen Volkes schwankten wie Baumwipfel im Wind.
    Hethor richtete seine Gedanken auf die Zahnräder des Weltgetriebes, auf das Uhrwerk Gottes, diesem Wunder aus Messing, und auf die Mechanik des Himmels, die die Erde um die Leben spendende Sonne kreisen ließ.
    »Das Herz Gottes ist das Herz der Welt«, sagte er.
    Das vergessene Volk sprach die Worte leise nach und fuhr dann mit dem Gebet fort, während die Zahnräder sich so laut wie eh und je in Hethors Kopf bewegten.
    »Solange der Mensch lebt, lebt Gott.«
    Die geflügelten Wilden, die auf die Stützen eingeschlagen hatten, verharrten. Verwirrt starrten die muskelbepackten Mörder auf Hethor.
    »Solange Gott lebt, lebt die Welt.«
    Die Wilden sprangen in einer harmonischen Bewegung gemeinsam über die Reling und waren verschwunden.
    Hethor atmete auf, bedauerte es aber sofort, denn die Kälte ließ seine Kehle wieder heftig schmerzen. Er und seine Gefolgschaft standen einen Augenblick schweigend da, hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Entsetzen im Anblick von so viel Blut, so vielen Leichen und so vielen verlorenen Leben in dieser grauenvollen Nacht.
    Wieder schlingerte das Deck und hätte sie beinahe allesamt über die Reling geschleudert. Ein klapperndes Geräusch war von oben zu hören, als eine der leisen Maschinen das sich verlagernde Gewicht abzufangen versuchte, dann aber mit einem lauten, schrecklichen Dröhnen versagte, das erkennen ließ, dass eine Reparatur dieser Maschine unmöglich war. Erneut schlingerte das Deck. Hethor wurde übel, als das Luftschiff viel zu schnell an Höhe verlor.
    »Jetzt müssen wir sterben«, sagte einer der jungen Männer und sprach damit Hethors eigenen Gedanken aus.
    »Nein!«, sagte er. Sollte es wirklich so enden? Gabriel hatte mehr mit ihm vorgehabt. »Wir sind noch nicht am Ende.« Doch alles wies darauf hin, dass Hethor nur allzu bald als Lügner entlarvt würde.
    »Der Bote hat gesprochen«, erklang unvermittelt eine vertraute Stimme.
    Arellya! Sie lebte!
    Hethor überkam neue Hoffnung. »Arellya, öffne das Steuerpult«, befahl er. »Ich werde das Ruder übernehmen und herausfinden, was möglich ist. Ihr anderen sucht Tücher oder Polster von euren Schlafplätzen zusammen. Baut euch daraus ein Nest, und drängt euch so eng wie möglich darin zusammen. Wir werden das Auseinanderbrechen des Schiffes überleben!«
    Da sie endlich eine Aufgabe hatten, eilten sie los und trampelten achtlos über die Körper ihrer eigenen Toten hinweg. Es war zu dunkel, zu spät, zu hoffnungslos, um nicht alle Kraft darauf zu verwenden, das eigene Leben zu verlängern, und sei es nur um ein paar Minuten.
    Hethor kämpfte sich zum Steuerpult vor. Als er es erreicht hatte, löste er die Riegel, die die Herz Gottes der Obhut des magischen, unsichtbaren Steuermannes anvertraute. Sie neigte sich nun stark nach Backbord; daher steuerte Hethor das Schiff mit der entsprechenden Neigung, um aus der Todesdrohung eine Spiralbewegung zu machen. Er brauchte die Hebel für die Höhensteuerung nicht zu benutzen, denn der Sinkflug des Luftschiffes verlief schon jetzt wesentlich schneller, als er es sich jemals gewünscht hätte.
    Nach wenigen Augenblicken waren nur noch Hethor und Arellya an Deck. Hethor kämpfte mit der Steuerung, um die Neigung des Schiffes auf Backbord zu halten. Arellya hielt sich am Steuerpult fest und wandte sich ihm zu. »Wir sind noch weit von deinem Ziel entfernt, Bote«, rief sie, »aber es war eine gute Reise.«
    »Noch sind wir nicht tot!«
    Er konnte ihr Lächeln hören, selbst in ihrer geschrienen Antwort. »Doch, das sind wir ganz gewiss. Nur haben unsere Körper diese Wahrheit noch nicht verstanden.«
    Auch die andere Maschine war nun überlastet. Der Tragkörper bebte bedrohlich. Das Deck hatte sich so sehr gesenkt, dass es zur Todesfalle geworden war, und die Trimmungshebel reagierten nicht mehr. Hethor richtete das Ruder widerstrebend auf die Mitte aus.
    Ihr einziger verbliebener Vorteil war, dass der Rumpf noch genügend Halt am Tragkörper fand, um das Luftschiff relativ langsam abstürzen zu lassen.

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