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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Kaninchen sprangen umher und spielten.
    »Wir werden trinken und essen«, sagte er. Oder war es nur das Delirium vor dem Tod?
    »Auf zur Jagd!«, rief Arellya.
    Obwohl sie vor Schmerzen stöhnten, waren die acht verbliebenen jungen Männer froh um die Wärme und hungrig wie die Wölfe. Sie fingen die Kaninchen.
***
    »Ich frage mich, wie lange es anhalten wird«, sagte Hethor und wischte sich Blut von den Lippen. Sie hatten kein Feuer machen können, um die Kaninchen zu braten.
    »Denk nicht daran«, sagte Arellya. Sie sah zu den Mauern wirbelnden Schnees hinüber. »Jeder Atemzug hier ist ein Geschenk für unsere Seelen. Die Reste von Gottes Lagerfeuer, die du für uns hast erbitten können. Ich werde so lange damit leben, wie ich kann.«
    »Bin ich ein Hexenmeister, oder ist es Gott?«
    »Machst du dir Gedanken um die bösen Taten anderer Männer? Tu es nicht, Bote. Du bist, wer du bist.«
    Sie nahm ihn an der Hand und ging mit ihm davon zu einem sanften Hügelhang in einiger Entfernung zu den jungen Männern.
    Dort lagen sie zwischen den Mohnblumen und genossen unverhofft zum letzten Mal den Körper des anderen.
***
    Hethor und das vergessene Volk marschierten tagelang, aßen Blumen, jagten kleine Tiere und tranken aus Quellen. Wo der Wiesenweg auf einen Steilhang traf, schlängelte er sich herum, entlang verborgener Schluchten und heimlicher Täler, aber von diesen Unterbrechungen abgesehen führte ihre Route direkt nach Süden. Das Polarwetter war immer nur einige hundert Meter hinter ihnen, und mit ihm verschwand auch der Weg.
    Jeder Schritt betrog den Tod um seine Rechte. Jeder Atemzug war geliehenes Leben. Der Duft der Blumen, die unter Hethors Füßen zertreten wurden, war wie Sterne, die in seinem Kopf flackerten, und jedes Kribbeln war ein helles Licht. Die Zahnräder waren nie fern, und ihr Echo war in den summenden Flügeln der Bienen zu hören, die von Blume zu Blume flogen; die Blumen wiederum wurden von dem seltsamen Licht erhellt, das Hethor und den anderen Weg wies, obwohl um sie herum sonst nur die polare Finsternis heulte.
    Zwei Wochen, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten, konnte Hethor unter dem Geflüster der Stürme und dem endlosen Rattern der Zahnräder, die sich seines Gehörs bemächtigt hatten, ein tiefes Poltern vernehmen. Dieses neue Geräusch klang gemessener, langsamer, und irgendwie größer als jedes Geräusch, das er bisher gehört hatte, bis ihn das große Zahnrad auf der Äquatorialmauer hatte taub werden lassen. Und seinen Geist verändert hatte, wie Hethor sich eingestehen musste.
    »Kannst du es hören?«, fragte er Tiktiktee.
    Der junge Mann schüttelte den Kopf, eine Geste, die er sich bei Hethor abgeschaut hatte. »Nein. Du hörst mit den Ohren dieser Welt, Bote.«
    »Ich glaube, es ist der Südpol. Wir erreichen die Achse unserer Welt.«
    »Die Reise ist fast zu Ende.«
    »Oder sie hat gerade erst begonnen.«
***
    Drei Tage später erklommen Hethor und seine Gefolgschaft einen Bergrücken und sahen den Südpol.
    Es lagen vielleicht noch zwei Meilen des blumenübersäten Weges vor ihnen. Er wurde wie bisher von einer milchigweißen Version des Himmelslichts erhellt, obwohl Stürme um sie herum tobten und Dunkelheit ihr Begleiter war. Der Weg endete auf einer großen, kreisrunden Wiese. Aus der Mitte der Wiese brach eine Messing-Welle hervor, wie ein Wurfspeer, der in die starre Erde gejagt worden war. Die Welle maß etwa eine Viertelmeile im Durchmesser und erhob sich frostüberzogen in den dunklen Himmel über ihnen.
    In ungefähr hundert Metern Höhe befand sich ein vierbeiniges Gerüst, dessen Füße am Wiesenrand auf den Boden trafen. Weitere hundert Meter darüber, dicht unterhalb der Frostgrenze, wo die Luft sich veränderte, rotierten Gewichte – vier Messingkugeln, von denen jede größer als Meister Bodeans Werkstatt in New Haven war. Sie sorgten vermutlich für das Gleichgewicht der Welle.
    Hethor konnte nicht am schlechten Wetter vorbei nach oben sehen, aber er konnte sich problemlos vorstellen, dass die Welle so hoch wie die Äquatorialmauer aufragte. Im endlos hellen polaren Sommer musste er eine glänzende Erinnerung an den Rückzug des letzten Fingers Gottes von der Schöpfung sein.
    »Wir sind da«, flüsterte Hethor.
    »Das hier ist das Ende der Welt?«, fragte Arellya, als sich die letzten Überlebenden des vergessenen Volkes um sie scharten.
    »Das Ende ... der Anfang.« Hethor zuckte mit den Achseln. Er fühlte das Gewicht der geborgten Tage

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