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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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und zu Fuß gehen kannst.«
    »Was ist mit deinen Eltern?«
    »Mum und Dad haben den Leichenwagen mit drei Gehilfen gebaut. Sie hatten aber keine Zeit, ihn abzuliefern, und ich koste sie nichts, weil ich zur Familie gehöre.«
    Irgendwie bezweifelte Hethor, dass es so einfach war, aber er versuchte, keine weiteren Einwände zu erheben. »Die Welt ist ein seltsamer Ort«, brachte er schließlich hervor, »und nur selten ist sie gerecht.«
    »Vor allem, wenn man eine Frau ist. Deshalb bin ich ziemlich froh, dass ich als Junge durchgehe. So, und jetzt wäre ich dir dankbar, wenn du nichts mehr dazu sagst.«
    Sie verbrachten den Rest des Nachmittags mit weiterem Geplauder, umgingen aber das Thema »Mädchen«. Hethor bemerkte, dass Darby die Kurven ein wenig schneller fuhr und häufiger gegen ihn stieß.
    In dieser Nacht lud sie ihn ein, den Leichenwagen mit ihr zu teilen und ein wenig zu kuscheln. »Du scheinst nett zu sein«, sagte sie, und im Mondlicht blitzte ihr Lächeln auf. Hethor stockte der Atem, als ihre Lippen sich leicht öffneten. »Komm mit, wir können uns gegenseitig wärmen.«
    »Ich ...« Bei dieser Frau blieben Hethor immer wieder die Worte weg. Sein Glied fühlte sich steinhart und riesig an. Er war sicher, Darby konnte sehen, wie es sich gegen den Stoff der Hose drängte. Warum lachte sie ihn dann nicht aus?
    »Ich ... nein«, sagte er, während ihm der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief. »Mir ist schon warm genug!« Seine Stimme klang laut und unbeholfen in seinen Ohren.
    Darby lachte leise. »Ganz wie du willst.« Sie kletterte in den Leichenwagen und zog die Tür hinter sich zu.
    Hethor ließ sich unter einer Weide nieder und öffnete die Hosenknöpfe, achtete aber darauf, sich nicht zu berühren. Auf diesem Weg lagen nur Sünde und Wahnsinn, wie jedermann wusste.
    Warum verlangte es ihn dann so sehr danach, Darby nahe zu sein?
    Als sich schließlich der Schlaf einstellte, wurde Hethor von unruhigen Träumen geplagt, von erregenden Dingen. Später, als er aufwachte, musste er das Flussufer aufsuchen, um seine Schande aus dem Leinen zu waschen. Am nächsten Morgen redeten sie kaum miteinander.
***
    Zwei Tage lang reiste Hethor weiter, unterbrochen von einem Wechsel in Foxboro, der ihm auf dem Weg nach Boston einen wortkargen Italiener als Kutscher und Frühjahrskohl als Mahlzeit einbrachte. Schließlich erreichte er Boston Commons. »Court Street«, waren die letzten Worte, die der Mann zu ihm sagte, wobei er nach Osten deutete.
    Hethor war erstaunt, dass er in einem Stück angekommen war.
    Er bemerkte, dass der Park von Rosskastanien, Ulmen und einem halben Dutzend anderer Bäume, die er nicht kannte, eingerahmt war. Männer und Frauen spazierten Seite an Seite umher. Familien nutzten die Gelegenheit, an die frische Luft zu kommen, und trugen Esskörbe mit sich. Kinder kreischten lauthals an den Teichen. Hethor hatte die Küste Connecticuts noch nie verlassen, und die Reise hierher hatte sich irgendwie unwirklich angefühlt. Als er nun auf dem Rasen des großen Parks stand, auf die mit Ziegelstein gepflasterten Gehwege starrte und die frisch erblühten Bäumen betrachtete, bekam er schreckliches Heimweh.
    »Der Vizekönig«, sagte er zu sich selbst und zu den lautstarken Eichhörnchen. »Ich muss den Vizekönig finden.«
    Er wandte sich nach Osten, verließ den Park und ging die Tremont Street entlang, bis er die Court Street erreichte. Boston unterschied sich nicht wirklich von New Haven. Die Stadt war größer, aber Hethor entdeckte dieselben Gaslampen, Electric-Straßenbahnen und schreienden Fuhrleute, die sich durch den Verkehr wühlten. Es würden sicherlich mehr Zeppeline am nahen Hafen andocken als in New Haven, da war er sicher. Hier war die Regierung, die Royal Navy.
    Die Court Street verlief vom Common nach Osten. Hethor folgte ihr, bis er ein Ziegelsteingebäude erreichte, das das Ziel seiner Suche sein musste. Es war drei Etagen hoch; zwei Stockwerke hohe Flügel mit Marmorfassade erstreckten sich zur Rechten und zur Linken des Hauptgebäudes, das von einer Kuppel gekrönt wurde, in die eine große Uhr eingelassen war. Zu beiden Seiten der Uhr erhoben sich zwei Ziegelsteinkonchen, ein Löwe und ein Einhorn. Unter den Tierstatuen befanden sich neben einem normalen Schiebefenster kleine, runde Fensteröffnungen; darunter war ein Balkon, der den Eindruck vermittelte, als würden von dort aus Bekanntmachungen verlesen oder die öffentliche Bestrafung von Verbrechern angekündigt.

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