Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
beibringen, wie man sie benutzt.«
Lombardo hatte recht gehabt. Es bedeutete Hethor etwas, was er machte – dass er Arbeit hatte, die er verstand. Navigation war im Grunde nichts anderes als die Kunst, Gottes Uhrwerk im Himmel zu beobachten. Malgus’ Angebot war ein weiterer Schritt, Gabriels Mission zu erfüllen. »Vielen Dank, Sir.«
»Jetzt leg dich wieder schlafen«, sagte Malgus. »Du wirst noch ein, zwei Tage lang zu nichts zu gebrauchen sein. Nicht mit diesem grässlichen Rücken. Der Schiffsarzthelfer wird sich später um deine Verbände kümmern. Wer immer dich in Hamilton zusammengeflickt hat – er wusste, was er tut.«
Hethor kannte nicht einmal den Namen der Frau, würde ihr aber auf ewig dankbar sein.
***
Zwei Tage später brachte Seekadett Evelyn de Troyes Hethor zum Navigatorennest. De Troyes war Malgus’ Assistent – sein Lehrling in praktischer, wenn auch nicht rechtlicher Hinsicht –, aber als Seekadett hatte er noch andere Pflichten.
»Auf dem Wasser«, sagte de Troyes, ein kleiner Mann mit sonnengebräunter Haut und hellen Strähnen im Haar, »müssen sich alle Offiziere in Navigation üben. In der Luft ist diese Kunst schwerer zu meistern. Es ist zwar an und für sich auch Aufgabe der Kapitäne und Maate, aber im Endeffekt erledigen wir alles.«
De Troyes verstummte, als er und Hethor unter dem Hauptmast standen. Die Bezeichnung »Masten« stimmte eigentlich nicht, denn sie trugen keine Segel, sondern die Flugspiere, die von den Zwischendecks nach außen abstanden. Die Masten der Bassett hatten außerdem nicht wirklich mit einem Segelschiff zu Wasser zu tun. Stattdessen waren sie senkrechte Strukturglieder, die den Tragkörper im Rumpf verankerten. Daher war der Zugang zur großen Hülle über sie am einfachsten zu bewerkstelligen. Als Hethor die Bassett zum ersten Mal betreten hatte, hatte man ihn nicht einmal in die Nähe des Hauptmasts oder des Tragkörpers gelassen.
»Wirf alle metallischen Gegenstände in diesen Eimer«, sagte de Troyes. »Keine Schnallen, keine Klingen, keinen Feuerstein, nichts, was Funken verursachen kann. Dann die Leiter hoch. Du zuerst, bis ganz nach oben. Verlaufen kannst du dich nicht.«
»Ich zuerst?« Hethor löste seinen Gürtel und holte Feuerstein und Schlagstein aus der Tasche. Dann griff er nach den mit Gummi überzogenen Eisensprossen.
»Ich will sehen, wie du kletterst. Wenn du dir zu sehr in die Hose machst, muss ich dich wieder zur Decksdivision zurückschicken, ob du mit Messing umgehen kannst oder nicht.«
Hethor kletterte, als wäre er mit Leib und Seele dabei. Das Strecken und Anziehen der Arme beanspruchte seinen verletzten Rücken, bis ihm Tränen in die Augen schossen, doch er ignorierte den Schmerz. Er musste de Troyes zufriedenstellen, damit er seinen Posten bei Malgus behalten konnte.
Der Hauptmast erhob sich ungefähr zweieinhalb Meter über Deck, bevor er in der Leinentuchhülle des Tragkörpers verschwand. An dieser Stelle war eine Klappe angebracht, die mit Seilen und hölzernen Drehschaltern befestigt war und das Innere abriegelte. Hethor betätigte die Schalter, ließ die Klappe herabfallen und kletterte hinein.
Das Innere des Tragkörpers wurde von mehreren electrischen Leuchten schwach erhellt. Hethor hatte gar nicht gewusst, dass die Bassett über Electricität verfügte. Er wusste auch nicht, wie sie produziert wurde. Der Hauptmast erhob sich weiter über ihm, und er konnte erkennen, dass sich an einer Stelle vier Gaszellen trafen. Sie bestanden aus Seide, waren mit Lack und Gummi verstärkt und von einem feinen Netz überzogen. Überall roch es nach abgestandener Luft und Teer.
Es fühlte sich an, als wäre man von wogenden Segeln umgeben, obwohl sich hier kein Lüftchen regte. Stattdessen war es im Inneren des Tragkörpers sehr heiß. Eine leicht bedrohliche Atmosphäre ging nicht nur von den Schatten aus, sondern auch vom schwachen Licht der Electricität. Obwohl die Gaszellen ihnen sehr nahe waren und Hethor wusste, dass der Tragkörper gerade einmal dreißig Meter hoch und ein wenig breiter im Querschnitt war, vermittelte er dennoch ein Gefühl großer Geräumigkeit. Die Stille wirkte unheimlich, denn Hethor konnte nur das leise Geräusch seiner Hände und Füße hören, wie sie auf den merkwürdig weichen Leitersprossen entlangglitten, und ein schwaches Pochen, das sich wie der Rhythmus eines riesigen Herzens anhörte.
»Die Wasserstoffpumpen«, sagte de Troyes hinter ihm, als sie an einem Längsschifflaufsteg
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