Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Hethor.
»Sonst noch was?«, fragte de Troyes.
»Die Äquatorialmauer liegt in dieser Richtung.« Hethor deutete nach Süden. »Wäre der Himmel nicht bewölkt und das Licht ausreichend, könnten wir die Orbitalschiene der Erde anvisieren und daran unsere Position ablesen. Ich nehme an, dass Sie Bücher und Tabellen dafür haben, oder?«
»Mitternacht lässt sich hier oben auch sehr gut hören.«
Die siderische Mitternacht, wenn sich die großen Messingverzahnungen auf der Äquatorialmauer mit der Orbitalschiene der Erde trafen, ineinandergriffen und gegen den riesigen Zahnkranz schlugen, den Gott selbst um die Sonne gelegt hatte. Hethor hatte diesen Augenblick dazu genutzt, in New Haven die Uhren auf den exakten Drehpunkt der Erde einzustellen und dabei den Längengrad mit einzuberechnen, um die genaue Ortszeit zu bestimmen. »Und natürlich stellen wir unsere Uhren auch hier oben danach.«
»Ja. Eine weitere deiner Aufgaben. Oberleutnant zur See Malgus verfügt über eine Kiste mit Längenuhren. Du kannst sie an einem Riemen mit dir tragen. Ein Ziffernblatt stellst du entsprechend deiner Beobachtung der siderischen Mitternacht ein. Später vergleichen wir das Ziffernblatt mit dem anderen, um den Längengrad zu bestimmen, wie weit wir nach Osten oder Westen geflogen sind.«
»Oder um die Abweichung des Chronometers festzustellen.«
»So ist es, Uhrmacher.« De Troyes schaffte es fast in einem Atemzug, das Wort wie einen Fluch und einen Segen klingen zu lassen.
»Also klettere ich immer zu Mitternacht hier hoch?«
»Und zweimal bei Tageslicht, um Vorräte und Ausrüstung zu kontrollieren. Und dir was Neues beizubringen, wann immer wir Zeit haben.«
Hethor fand, dass es auf der Bassett keine schönere Aufgabe geben konnte, als den Hauptmast hinaufzuklettern, um Mitternacht zu bestimmen.
***
Der Sturm brach an diesem Nachmittag mit unverhülltem Zorn über sie herein und zerrte die Bassett in den nachfolgenden Stunden in fast alle möglichen Richtungen, nur nicht nach vorne. Der Regen prasselte in einer Lautstärke auf den Tragkörper, als würden alle Trommeln der Irokesen gleichzeitig geschlagen, und der Wind heulte und pfiff durch die Wanten. Hethor war für kurze Zeit wieder bei den Seeleuten der Decksdivision, um Fracht und Ausrüstung zu sichern und nach Sturmschäden zu suchen. Selbst wenige Schritte konnten ihn das Leben kosten, aber wenigstens hatten sie in dieser Höhe nicht mit Brechern zu kämpfen, die mit jedem Schlingern des Schiffes durch das Speigatt hätten zurückfließen müssen. Nur so viel Regen, wie Hethor sich niemals hätte erträumen lassen, und ein Sturz über die Reling, den niemand überleben konnte.
Er hielt sich fest und befolgte die Befehle. Der Sturm ließ erst nach Sonnenuntergang nach, als die Wolken zur Seite glitten und einen unfreundlich wirkenden Mond enthüllten, fettbäuchig auf dem kaum sichtbaren, dünnen Faden seiner Schiene, sowie einige hartnäckige Sterne.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Lombardo, als er Hethor beim Essen fassen auf die Schulter klopfte. »Wenn wir einen richtigen Sturm erleben, wirst du verstehen, warum wir Luftmatrosen niemals heiraten. Ihre Kaiserliche Majestät hat keine Lust, die verdammte Witwenrente zu zahlen.« Mit einem Lachen schickte Lombardo Hethor zurück zu de Troyes und Malgus.
Nachdem Hethor an diesem Abend auf Deck viel Zeit auf die Längenuhren in ihren Holzkästen verwendet hatte, ließ de Troyes ihn allein den Hauptmast aufentern. »Wenn du selbst runterfallen willst, dann tu das«, warnte ihn der Seekadett, »aber lass die Instrumente nicht fallen.«
Hethor kletterte zu fünf Glasen der Abendwache hinauf. Er traf zwischen den Zellen auf einen der Männer von der Wasserstoffdivision, einen Kerl, den er nicht kannte, dem er im electrischen Dämmerlicht aber zunickte. Hinauf, durch die Holzklappe und auf die Beobachtungsplattform. Die Schmerzen seines gepeitschten Rückens ließen nach, entweder, weil er mit der Zeit heilte oder weil Hethor sich darüber freute, sinnvolle Arbeit gefunden zu haben.
Der Mond nahm zu und hing wie an einem Faden auf seiner Schiene. Das Leuchten der Sterne war so hell wie immer. Hethor nahm Platz unter dem Licht und der Schönheit, knüpfte den Chronometerkasten an zwei der Haken fest und ließ die Schnappverschlüsse nach oben springen, um den Deckel zu öffnen. De Troyes hatte ihm die drei Ziffernblätter gezeigt: Eins war auf Greenwich-Zeit eingestellt, das Zweite hielt die letzte
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