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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ordentliche Messung fest. Es lag an ihm, Hethor, das dritte Ziffernblatt zu korrigieren, obwohl es im Augenblick noch dem zweiten entsprach. Radium-Skalen glühten auf den geisterhaft weißen Ziffernblättern; weitere Radium-Punkte erhellten die kleinen Knöpfe, mit denen Hethor die Zeit neu einstellen würde.
    Er fragte sich, welche Mechanismen im Inneren schlummerten, und ob es sich um eines dieser neuen Uhrwerke aus Lancashire oder aus den Deutschen Landen handelte, oder ob ein ehrlicher Horologe mit erfahrener Hand die Zahnräder gegossen und zerspant hatte.
    Hoch oben waren vereinzelte Wolken zu entdecken, die das Leuchten der Sterne aber kaum behinderten. So kurz vor Mitternacht glänzte die Erdschiene über dem südlichen Horizont, als ihre Seite der Welt sich auf ein Rendezvous mit der Erdumlaufbahn vorbereitete. Auch die Mondschiene durchschnitt diese Hälfte des Himmels; von hier aus war ihr Achsversatz zur Erdbahn umso deutlicher zu erkennen.
    Hethor schloss die Augen und lauschte. Die leichte, feuchtkalte Brise lenkte ihn nicht im Geringsten ab. Irgendwo tief unter ihm rumorten die Motoren der Bassett . Die Wasserstoffpumpen liefen im gewohnten Takt. Wie immer hörte er seinen Atem, das Knarzen der Seile und das Dröhnen des segeltuchumhüllten Tragkörpers.
    Und unter alledem war das Rattern der sich drehenden Welt zu vernehmen. Das Geräusch schien sich erholt zu haben, denn der falsche Beiklang, den Hethor in Malgus’ Kabine bemerkt hatte, war verschwunden.
    Doch Mitternacht nahte. Das Rattern war zu dieser Stunde lauter als alles, was Hethor bisher vernommen hatte. So hoch über dem Meer, an frischer Luft und viel weiter südlich als seine ehemalige Heimat New Haven, war Hethor dem Geräusch wesentlich näher. Obwohl er die Augen weiterhin geschlossen hielt, erspürte er den Stromunterbrecher auf der Ziffernblattkorrektur des Chronometerkastens. Hethor war bereit, auf Mitternacht zurückzustellen, damit Malgus berechnen konnte, wie weit der Sturm sie vom Kurs abgebracht hatte.
    Das siderische Rattern erreichte ein Crescendo, auch wenn es hier ein wenig anders war, wie der Klang von reinem Messing auf reinem Messing. Hethor hörte genau hin, wartete auf den lautesten Augenblick des Geräuschs in dem Wissen, dass er jeden Tag wiederkehrte.
    Im richtigen Moment drückte Hethor den Stromunterbrecher, um Mitternacht zu bestimmen. Auf seine Weisung hin erfüllte die Längenuhr in ihrem Holzkasten ihre Aufgabe und merkte sich treu und brav die Stunden der Luftschiffreise.
    Aber eine Sache stimmte nicht. Hethor konnte die Uhrzeit stets exakt bestimmen, ob diese Fähigkeit nun tief in seinem Herzen oder irgendwo in seinem Kopf verborgen lag, und er spürte mit absoluter Sicherheit, dass Mitternacht fast drei Sekunden zu spät stattgefunden hatte.
    Nichts hätte schrecklicher sein können, nicht einmal, wenn die Sonne morgens als ausgebrannter schwarzer Klumpen aufgegangen wäre.
    Das war nicht der Lauf der Dinge.
    Erzengel Gabriel hatte recht gehabt. Die Triebfeder der Welt lief ab. Die Räder der Zeit mussten neu aufgezogen werden. Nun hatte Hethor den Beweis. Es hatte nichts mit Gläubigkeit zu tun. Das Problem war nur, wem er sich mitteilen könnte. Wie konnte er diese Wahrheit verkünden?
    Er vertraute niemandem, auch nicht Malgus, aber den Schlüssel der Ewigen Bedrohung konnte er unmöglich allein finden.
    Hethor machte den Chronometerkasten wieder los, verstaute die Seile und machte sich langsam auf den Rückweg zum Hauptdeck. Er müsste genügend Beweise finden, ohne sich auf sein Gefühl zu verlassen, bevor er irgendjemanden überzeugen konnte.
    Es wäre alles viel einfacher, überlegte er, wäre Gabriel Königin Victoria erschienen.
    Ihre Kaiserliche Majestät hätte ganze Armeen und Flotten in Bewegung setzen können, um den Schlüssel der Ewigen Bedrohung zu finden.
    Doch er war allein.

4.
    Als sie sich dem siebzehnten Breitengrad näherten, erblickte Hethor zum ersten Mal im Leben die Äquatorialmauer. Er und de Troyes waren oben im Navigatorennest und gingen erneut die Grundlagen für einen Sextanten durch, als de Troyes plötzlich innehielt, ein Teleskop in die Hand nahm und es nach Süden richtete.
    »Hier«, sagte er nach einem Augenblick und reichte das Gerät an Hethor weiter. »Sag mir, was du siehst.«
    »Eine Wolkendecke am südlichen Horizont.« Hethor ließ das Teleskop zu beiden Seiten schwenken. »Aber es ist ein richtig schlimmer Sturm.«
    »Der schlimmste Sturm, den die Welt je

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