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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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gezwungen, mittels eines Schlepptaus zu sinken und anzulegen, was wesentlich langsamer war und viel mehr Zeit kostete. Außerdem musste sie wesentlich näher am Boden verholt werden, als es bei einem Luftschiff im Einsatz allgemein als sicher erachtet wurde.
    Smallwood ging mit einigen seiner Offiziere nach unten, einschließlich Malgus, während Hethor mit mehreren Kameraden aus der Decks- und Reepdivision die Zeit totschlug. Al-Wazir hatte das Kommando.
    »Sind die Chinesen hier gewesen?«, fragte Hethor.
    Al-Wazir lachte. »Meinst du, sie hätten uns hier anlegen und den Kapitän von Bord gehen lassen, damit er nett plaudern kann? Nein, wenn die Chinesen hier wären, hätten sie uns mit einem Flammeninferno und scharfen Raketen begrüßt, darauf kannst du einen lassen. Die da unten wurden nicht von den Chinesen, sondern von einem weiteren Erdbeben heimgesucht, nehme ich an.« Er strahlte das knappe Dutzend Matrosen an, die an der Reling standen. »Es gibt Augenblicke, da weiß ich wieder, warum das Leben in der Luft das verdammt noch mal beste von allen ist.«
    »Ich glaube, im Moment ist das Leben weder in der Luft noch sonst wo allzu gut.« Hethor schaute hinunter auf Conakry und dachte an seinen Geburtsort New Haven. Hatten auch dort die Erdbeben Kirchenglocken zum Läuten gebracht? Oder war es noch schlimmer gewesen?
    »Ich mag es nicht, so tief unten zu sein«, murmelte ein Matrose, ein dürrer Kerl aus Jersey, den die meisten nur Dairy nannten. »Hier geht es unserer Kleinen auch nicht besser als einem Albatros an Land.«
    »Richtig«, sagte al-Wazir. »Und wenn die Chinesen auftauchen, wedeln wir einfach mit euch herum, und sie werden aus Angst vor euren hässlichen Fratzen fliehen.«
    Sie konnten in Conakry zwar Brennstoff und Meerwasser als Ballast aufnehmen, aber die schweren Beschädigungen am Hafen machten es erforderlich, dass die Mannschaft Arbeitstrupps nach unten schicken und von Hand pumpen lassen musste, um die electrisch betriebenen Pumpen an Bord der Bassett zu unterstützen. Hethor war froh, dass er nicht dazu eingeteilt worden war. Die afrikanische Küste machte ihm angst. Umso froher war er, als die Bassett ablegte und sich wieder in die Lüfte erhob.
***
    Das Luftschiff fuhr an der Küste Guineas Richtung Südosten und auf die Äquatorialmauer zu. Hethor hatte durch das Geflüster an Deck erfahren, dass es gefährlich war, sich zu weit von einem Stützpunkt zu entfernen, wenn es keine Aussicht auf weitere Unterstützung gab. Luftschiffe waren nicht wie Militärschiffe, die dorthin fahren konnten, wohin sie wollten, und die in jedem beliebigen Hafen Nachschub aufnehmen oder Reparaturen durchführten. Die Maschinen für die Aufbereitung von Öl und Wasserstoff waren unentbehrlich. Kein Luftschiff hätte sie mit sich führen können.
    Matrosen waren ein abergläubisches Völkchen, aber der Ehrfurcht gebietende Anblick der Mauer schien selbst die Sorge in den Schatten zu stellen, den letzten sicheren Hafen hinter sich gelassen zu haben.
    Jeden Tag wuchs die riesige Masse vor ihren Augen, bis Hethor die Wolkenbänke erkennen konnte, die sich an der Mauer nach oben schoben, und er musste sich fast den Hals verrenken, um die gewaltige Mauerkrone sehen zu können. Es war, als würde man eine Karte durch einen sich lichtenden Nebel betrachten: Hethor konnte immer besser sehen, und bald schon erkannte er Details, zum Beispiel riesige Klippen und Felsvorsprünge, die sich in ausgedehnte Wälder und Wiesen verwandelten, und Wasserfälle, die breiter sein mussten als Städte, sonst wären sie aus dieser Entfernung nicht zu sehen gewesen.
    Eine seltsame Stille umgab die Mauer, die den Wäldern und Feldern Neuenglands oder dem tropischen Chaos Guyanas oder Guineas völlig widersprach. Hethor hatte das Gefühl, durch ein Teleskop oder auf eine Art gigantische Daguerreotypie zu blicken.
    Und Stille oder nicht – er konnte die Mauer riechen. Er roch Erdboden und Bäume und den reinen Duft des Lebens, aufrechterhalten durch Wasser und Sonnenlicht.
    Hethor hatte dasselbe Gefühl, angezogen zu werden, wie er es auf der Gaszelle verspürt hatte. Es schien, als wäre die Mauer ein Magnet, und als bestünde sein Körper aus Metall. Er hatte das Gefühl, vom Deck der Bassett springen und wie ein Fregattvogel über Afrika schweben zu können, um das Land zu erreichen, das sich vor ihnen erhob und das Gott für sie erschaffen hatte.
    Die Sonne ließ die Luft hoch oben an der Mauer glitzern, bis tief in die Nacht

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