Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
zahlloser Matrosenstimmen verstummte mit dem letzten Wort des Gebets. Hethor schlug das Zeichen der Räderung vor seiner Brust. Ein junger Mann mit lockigem Haar spielte ein Lied auf einem Horn, aber die Melodie kannte Hethor nicht. Die beiden Leichen wurden über Bord geworfen, eingehüllt in Segeltuch, das aus den Reparaturvorräten für den Tragkörper stammen musste. Hethor stellte sich die beiden als Herbstlaub vor, das in einem starken Wind langsam wirbelnd auf den Grund des Meeres unter ihnen sank.
Smallwood ließ die Männer noch einmal Haltung annehmen. »Auch wenn es vielleicht zu früh dafür ist, so möchte ich doch ein paar Worte über die Aufgabe der Bassett bei dieser Fahrt sagen.«
Das nun einsetzende Schweigen war so tief und vollkommen, dass Hethor in der angespannten Atmosphäre fühlen konnte, wie alle sich angestrengt dem Kapitän zuwandten, um auch ja jedes seiner Worte zu verstehen.
»Die Bibel berichtet, dass König Salomon entlang der Äquatorialmauer Forts errichten und Steinbrüche anlegen ließ«, sagte Smallwood. »Und aus der Geschichte wissen wir, dass die Römer dort Garnisonen stationierten, um die Gegend zu erkunden und wilde Tiere zu fangen, die dann zu den Spielen geschickt wurden. Selbst die Tempelritter sollen Gerüchten zufolge auf dem Zenit ihrer Macht ein Kapitelhaus auf der Mauer gehabt haben.
Die Regierung Ihrer Kaiserlichen Majestät hat beschlossen, dass auch England seinen rechtmäßigen Platz unter den Mächten an der Mauer einnehmen soll, zum Ruhme unserer Königin und zur Verwirrung unserer Feinde.«
Die Matrosen jubelten, warfen ihre Hüte in die Luft und stampften mit den Füßen. Smallwood hob Schweigen gebietend eine Hand.
»Wir wurden entsandt, um einer Expeditionstruppe unter Befehl General Gordons Luftunterstützung zu leisten. Die Bassett wird sich in den kommenden Monaten ihren Platz in der Historie verdienen. Jeder von euch wird gemeinsam mit der Bassett in die Geschichte eingehen.«
Wieder brachen die Seeleute in lauten Jubel aus, der diesmal einem Tumult glich. Smallwood nickte und ging unter Deck. Während die Matrosen tanzten und sangen, machte Hethor sich daran, noch mehr Farbe abzukratzen.
***
Sechzehn Tage nach ihrer Abfahrt aus Georgetown erreichten sie Praia auf den Kapverden. Die Stadt lag an der südöstlichen Küste einer Insel, die vielleicht zwanzig Meilen breit war. Baumstümpfe und Schlammlawinen schienen die Hauptattraktionen des Ortes zu sein, aber das Meer sah sehr schön aus. Aus dem, was Hethor sehen konnte, schloss er, dass Praia eine recht armselige kleine Stadt war. Barackensiedlungen erstreckten sich vom heruntergekommenen Hafen landeinwärts. Eine kleine Fischerbootflotte und ein ordentliches Kriegsschiff, das den Union Jack gehisst hatte, lagen im Hafen. Über den Holzhütten erhoben sich einige Gebäude aus hellem Gestein, deren rote Ziegeldächer notdürftig geflickt waren und deren weiß getünchte Wände fleckig und verblasst aussahen. Hier lag nichts von der Feierlaune in der Luft, die in Georgetown geherrscht hatte. Es gab nicht einmal neugierige oder freundliche Gesichter, die zu ihnen aufsahen, wie es in Hamilton der Fall gewesen war.
Diesmal erteilte der Kapitän keinen Landurlaub. Nachdem sie mit dem vor Anker liegenden Schiff ein paar Flaggensignale ausgetauscht hatte, machte die Bassett an dem einzigen baufälligen Luftschiffmast des Hafens fest, um Brennstoff für die Motoren aufzunehmen. Dann ließ Smallwood sofort wieder ablegen und setzte Kurs Richtung Südosten nach Conakry und der Küste Guineas.
Nach weiteren zehn Tagen erreichten sie Conakry. Der Ort war keinen Deut besser als Praia. Der Hafen befand sich am Ende einer schmalen Halbinsel, die von zwei sichelförmigen Inseln schützend umgebend war – ein Bild, das sehr an die Bahamas erinnerte. Das Hinterland erwies sich als stetiger Wechsel aus einer staubigeren Variante der guayanischen Küste und trostlosen Sümpfen.
Auch hier gab es keinen Landurlaub. Obwohl Hethor ziemlich darunter litt, schon so lange nicht mehr von Bord gegangen zu sein, freute er sich zugleich darüber, nicht an Land gehen zu müssen. Georgetown war eine lebendige, bunte, pulsierende Stadt gewesen, Conakry jedoch machte den Eindruck einer erst kürzlich vom Krieg verheerten Ortschaft. Über der Halbinsel waberten Aschewolken, hervorgerufen durch mehrere Feuer. Einst hatte es drei Luftschiffmaste gegeben, die aber alle ins flache Wasser gestürzt waren. Also war die Bassett
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