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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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können.
    Sobald das Schiff zur Ruhe gekommen war, ließ al-Wazir seine Division zusätzliche Seile vom Ankerpunkt achtern auswerfen, bis eine Seilbrücke entstand. Dann ließ er neben dem Ausstieg mehrere Fallschirme aufstapeln, salutierte in Richtung Poopdeck und rief: »Alles für die Landung des Einsatzkommandos vorbereitet, Sir!«
    Smallwood erwiderte den Salut und befahl den Marineinfanteristen die Überquerung der Seilbrücke. Ihr Oberleutnant teilte seine Truppe in zwei Gruppen auf. Eine bezog an der Schiffsreling Stellung, die Karabiner geladen und entsichert, während sich die andere die Fallschirmgurte überwarf und die Seilbrücke überquerte, um die landwärtige Seite zu sichern – oder felswärtige Seite, dachte Hethor, je nachdem, wie man den Einsatz betrachtet.
    Die Marineinfanteristen nahmen ihre Positionen auf den Galerien und Laufstegen gegenüber der Bassett ein. Dabei traten sie viele der geflochtenen Türen ein und stießen mit ihren Karabinern durch die Fenster. Schließlich wurde Entwarnung gegeben.
    »Matrose Jacques«, sagte Smallwood. »Bleiben Sie in der Nähe von Oberleutnant Wollers. Wenn ich Sie brauche, lasse ich’s Sie wissen. Es ist Ihnen nicht erlaubt, in Bereiche vorzudringen, die die Marineinfanteristen oder ich noch nicht kontrolliert haben. Verstanden?«
    »Jawohl, Sir.« Hethor sah zu Wollers hinüber, der ihn mit einem mitleidigen Lächeln bedachte.
    Hethor folgte Wollers mittschiffs, um sich von Cook eine lederne Wasserflasche geben zu lassen und sich einen Fallschirm überzuwerfen, was er seit seinem Erlebnis in Bermuda nicht wieder freiwillig und nüchtern getan hatte. Dann reihte er sich in die Schlange vor der Seilbrücke ein.
    Als er hinter Wollers und vor dem Schiffsarzthelfer Aufstellung nahm, bekam Hethor es mit der Angst zu tun.
***
    Die Seilbrücke war etwa hundert Meter lang, von den Streben der Schiffsreling bis zu ihrem Endpunkt an den Teakholzsäulen eines Laufgangs, der auch aus Venedig oder Konstantinopel hätte stammen können. Die zwei Seile, die Hethor jetzt ergriff, waren nicht dicker als sein Daumen, und die harten Hanffasern standen wie Metallsplitter ab.
    Er wünschte, er hätte sich Handschuhe mitgebracht.
    Er blickte auf seine Füße. Der Durchmesser des Seils war genauso unzureichend wie bei den beiden anderen, und obwohl es sich unter Hethors Füßen spannte, ließ sein Gewicht es dennoch schwanken und zittern. Das alles war schon beängstigend genug. Aber der freie Blick in die Tiefe, auf die hölzerne Stadt und die Felsvorsprünge Hunderte von Metern unter ihm, drehte ihm den Magen um. Alles vor seinen Augen schien sich in Nebel und Schatten aufzulösen.
    Es war, als blickte er von oben in einen Schacht, der geradewegs in eine eiskalte, dunkle Hölle führte.
    »Das wusstest du vorher«, sprach Hethor sich Mut zu. »Du hast mit den Karten gearbeitet. Du hast die Höhen gekannt.« Er konnte spüren, wie die Tiefe nach ihm rief. Sie schien eine eigene Stimme zu haben. Er wollte loslassen, die Arme ausbreiten und wie ein Vogel fliegen, um die Freiheit eines fallenden Blattes zu genießen und die nebelumwogten Tiefen schwebend zu erkunden.
    »He!« Der Schiffsarzthelfer, der von hinten an Hethor herantrat, riss ihn aus seinen Gedanken. »Weiter geht’s, du Trödler!«
    Nachdem die Marineinfanteristen die Seilbrücke einzeln überquert hatten, befahl al-Wazir aus Zeitgründen geringere Abstände. Hethor blickte über die Schulter auf den Schiffsarzthelfer – wie war noch mal sein Name? Er war wirklich noch ein Junge, vielleicht elf Jahre alt, der an dieser Mission teilnahm, weil Dr. Firkin nicht über die Brücke gehen konnte. Oben auf dem Vorderdeck munkelten die Matrosen, dass Firkin nicht ganz schwindelfrei sei. Das schien Hethor bei einem Luftschiffsoffizier doch recht seltsam zu sein, selbst beim Schiffsarzt, dem man aufgrund seines Postens einige Mängel nachsah.
    »Ich geh ja schon«, murrte Hethor. Er war froh, von seinen Gedanken über die gähnende Tiefe unter ihm abgelenkt zu werden. Er kniff die Augen zusammen, starrte nur auf das Seil in seinen Händen und bewegte sich hinüber zum Laufgang, an dem das Seilende verankert war. Hinter ihm fluchte der Schiffsarzthelfer und machte seiner eigenen Angst Luft, indem er Hethor zum Ziel seiner Flüche machte.
    Zum ersten Mal im Leben hatte Hethor nichts dagegen.
    Dann wurde ihm auf die Galerie geholfen. Die hölzerne Konstruktion erschien ihm gar nicht mehr so stabil, als er sich darauf

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