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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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stellte, denn sie knarzte laut und schwankte unter dem Gewicht so vieler kräftiger Seeleute der Royal Navy. Wollers, der die Seilbrücke schon ein ganzes Stück vor Hethor hinter sich gebracht hatte, packte ihn fest an der Schulter, als sie durch die Bögen auf die frei in der Luft schwebende, vor Anker liegende Bassett zurückschauten.
    Hethor hatte noch nie zuvor das gesamte Luftschiff sehen können. Wenn man die Bassett kurz vor dem Festmachen an einem Ankermast von unten sah, war sie bloß ein riesiges dunkles Gebilde, das sich vor dem Himmel abzeichnete und entfernt an eine Schnecke erinnerte. Und von der Spitze eines Masts aus war sie einfach zu nah, um mehr als ein gewaltiger Tragkörper und hölzerner Rumpf zu sein.
    Aber vom Laufgang der senkrechten Stadt aus gesehen war sie überwältigend schön. Der Rumpf war schlank und anmutig proportioniert. Die Konturen schienen für ein hochseetüchtiges Schiff zu spitz zu sein, aber Hethor ging davon aus, dass sie im Notfall auch auf dem Wasser landen konnte – zumindest bis ihre mit Pech abgedichteten Boden- und Außenluken an der Kiellinie überflutet waren.
    Von der Seite aus betrachtet wirkte der Tragkörper noch viel imposanter. Der Laufsteg, den Hethor vom Navigatorennest aus gesehen hatte, zog sich fast über die gesamte Länge des Tragkörpers auf einer Höhe und bog sich nur ganz leicht, bis er am Bug wie ein Vogelschnabel steil nach unten fiel. Achtern schloss der Tragkörper mit einer wesentlich sanfteren Rundung und endete oben in einer Art Falte.
    Die Bassett war wirklich wunderschön – ein wahrer Raubvogel, der auf den Flugrouten des Kaiserreichs jagte, stets auf der Suche nach chinesischen Eindringlingen. Heute aber jagte sie die Geister der Vergangenheit.
    Wollers sagte: »Kommen Sie mit, wir müssen uns diese Räume ansehen. Die Marineinfanteristen haben dort Müll entdeckt. Wir müssen herausfinden, ob es sich um guten englischen Müll handelt oder um irgendwelchen Dreck, den die Kanaken oder diese verdammten fliegenden Monster zurückgelassen haben.«
    Hethor hätte sein Geld auf guten englischen Müll gewettet, denn die senkrechte Stadt machte einen völlig verlassenen Eindruck. Wer sollte hier schon wohnen, um eine solche Sauerei zu hinterlassen, wenn die ursprünglichen Bewohner geflohen oder gestorben waren?
    Hethor und Wollers betraten die Räume mit ihren Holzfußböden und geflochtenen Wänden. Geschickt angeordnete Lichtschächte, die leicht verwinkelt zu sein schienen, um vor direkter Einstrahlung oder Regen zu schützen, ließen die Sonnenstrahlen von oben hereinfallen. Das Ergebnis war eine verschwommene Ausleuchtung, die die Räume mit einem sanften, schattenlosen Schimmer erfüllte. Als Hethor und Wollers auf die Dielen traten, knarzten und knackten sie, aber es waren keine Geräusche drohenden Zusammenbrechens oder des Verfalls – sie klangen beinahe wie Musik.
    Hethor sah vor seinem geistigen Augen eine Szene, in der er in einem Raum wie diesem tanzte, wobei er und seine Partnerin mit den Füßen den Rhythmus bestimmten. Die Gebäude schienen auf die Bewegungen ihrer Bewohner eingestimmt zu sein. Vielleicht hatten die Erbauer dies beabsichtigt.
    Doch die wahre Pracht der Räume im Inneren lag in der Flechtkunst der Wände. Die dünnen Latten, die dabei verwendet worden waren, hatten zahlreiche Schattierungen und Strukturen ermöglicht und jede einzelne Wand zu einem Kunstwerk gemacht. Landschaften waren darauf zu sehen, Menschen bei der Arbeit, prunkvolle Festlichkeiten, die Messingbahnen des Himmels und vieles andere mehr. Hethor hätte die geflochtenen Bilder gern noch länger angeschaut, doch Wollers zog ihn weiter.
    »Die Räume sind kühler und dunkler entlang der Felswand«, sagte der Zweite Maat und trat durch eine Tür mit einer kniehohen Türschwelle. »Die Aufklärungstrupps von General Gordon würden vermutlich dort übernachtet haben. Diese Position wäre ihrer Einschätzung nach leichter zu verteidigen gewesen.«
    Wie erwartet bemerkte Hethor in einer Ecke ein zusammengeknülltes Stück Wachspapier, in dem normalerweise die Karabinerkugeln für die Marineinfanteristen verpackt waren. Eine weitere hohe Türschwelle, und sie befanden sich in einem viel dunkleren Raum. Hier fanden sich Spuren eines Feuers auf dem Fußboden. Die kunstvollen Wände waren verunstaltet, was Hethor zusammenzucken ließ. Außerdem fand sich hier weiterer Müll. Knochen eines Abendessens lagen in einer Ecke, dazu Papierreste und ein loser

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