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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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vier Buchstaben, die er vor sich sah, um das Tetragrammaton handeln musste, den Namen Gottes, der in den Text eingefügt worden war, wie ein Gelehrter in Yale ein griechisches Wort oder einen ganzen Absatz auf Griechisch in einen englischen Text einfügen würde.
    Er musste nur noch den Rest der Sprache entziffern. Er hatte ein wenig Latein in der Schule gelernt, aber hierbei handelte es sich um eine viel größere Herausforderung – eine, die er offensichtlich nicht zu bewältigen imstande war. Die Tafel anzustarren half nicht weiter. Doch bei dem Versuch, die zittrigen Kreise und Schnörkel des Textes zu kopieren, schaffte er es lediglich, sich die Hand zu verkrampfen.
    Beim Chinesischen gibt es doch keine Kreise, oder?, fragte er sich.
    Irgendwie fiel es Hethor schwer zu glauben, dass Gott Chinesisch sprach, zumindest nicht zu ihm. Oder überhaupt. Wenn dies eine Nachricht von Gott war, sollte er, Hethor, doch wohl in der Lage sein, sie zu lesen.
    Es gab noch andere Zeichen, die sich wiederholten. Eins tauchte sowohl in ersten als auch in zweiten Zeilen auf. Ein weiteres in der dritten, vierten, fünften und sechsten Zeile. Ein feststehender Gebetsbegriff? Aber Gott würde sich doch nicht selbst anbeten?
    Hethor dachte an das östliche Alphabet, das die Konstantiner Ketzer verwendet hatten. Doch es ergab als Erklärung überhaupt keinen Sinn – soweit er es verstanden hatte, ähnelten die östlichen Buchstaben sowohl dem lateinischen als auch dem griechischen Alphabet. Das war hier definitiv nicht der Fall.
    Hethor überlegte sich erneut, ob es sich um Hebräisch handeln könnte. Auf der Bassett gab es keinen Geistlichen, und soweit er wusste, war keiner der Offiziere oder Mannschaftsdienstgrade insgeheim Jude. Wer könnte sonst ein hebräisches Wörterbuch besitzen? Vielleicht eine Grammatik? Dr. Firkin möglicherweise.
    Hethor versteckte die Goldtafel wieder in der Kartentruhe und ging auf Deck. Firkin war bestimmt nicht in seiner Kajüte. Seit dem Verlust des Schiffsarzthelfers verbrachte er die meiste Zeit in seinem Behandlungszimmer unter dem Vorderdeck oder draußen auf Deck, wobei er aber beharrlich die Reling mied. Als Hethor aus der Luke trat, bemerkte er, dass die Bassett in die Höhe stieg und sich immer noch in der senkrechten Stadt befand.
    Als Hethor das Deck überquerte, fragte er sich, wie er seine Bitte gegenüber Dr. Firkin formulieren sollte, als er mit einem Mal die Glocke der Himmelswache klingeln hörte. Erschrocken sah er sich um, als das Knallen der Drehbasse wieder ertönte. Das Geräusch hallte schwach von der Vorderseite des Tragkörpers zu ihm hinüber.
    Diesmal war die Bassett besser auf den Angriff vorbereitet. Marineinfanteristen stürzten auf Deck. Jeder Soldat trug zwei Karabiner, die sie an kampfeswillige Matrosen weitergaben. Nach wenigen Sekunden war die Reling auf allen Seiten mit Schützen unterschiedlichen Geschicks besetzt.
    Geflügelte Wilde stürzten am Schiff vorbei und durchflogen einen Kugelhagel, der den Rauch und den Gestank des Schießpulvers wie eine Nebelbank über das Deck verteilte, während die Angreifer sich in ihrer ganzen hässlichen Pracht dem Deck näherten. Sie waren die fleischgewordene Verspottung der Engel Gottes.
    Dann strömte ein gutes Dutzend von ihnen über die Reling. Sie drehten sich wie Feuertänzer, und ihre Messingschwerter funkelten im Morgenlicht. Wie riesige Motten flatterten sie an Seilen und Wanten vorbei, um sich auf die Schiffsmannschaft zu stürzen. Einige schwangen ihre Klingen, während andere Pfeile in die Reihen der Matrosen und Marineinfanteristen jagten, die sie nun wütend unter Beschuss nahmen.
    Kein einziger der geflügelten Wilden brüllte oder rief etwas. Sie gaben keinen Laut von sich, sondern kämpften in gespenstischer Stille, sah man von dem Lärm ab, den ihre Waffen verursachten.
    Da Hethor keine Waffe hatte, kroch er zum bugwärts liegenden Kabelgatt. Dort nahm er sich eine Brechstange, die für das Hieven der Winden gedacht war, wenn sie montiert oder abmontiert wurden. Hethor war kein Kämpfer, aber mit der schweren Stange würde er die schillernden, hin und her zuckenden Schwerter vermutlich abwehren können. Und Gnade Gott dem geflügelten Wilden, den er von hinten angreifen konnte!
    Hethor warf alle Vorsicht über Bord und stürzte sich schreiend in den Kampf. Das Deck war so voller Blut, dass er beinahe ausgerutscht wäre, und mit dem rechten Fuß wäre er um ein Haar über eine abgetrennte Hand gestolpert. Die

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