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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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kletterte in die heiße, wogende Dunkelheit der Gaszellen. Die abgetragenen Fersen von Oberleutnant San Lorenzos Socken hüpften über ihm auf und ab.
    Als Hethor das Navigatorennest erreichte, war Smallwood etwa zwanzig Schritte auf dem Laufsteg weitergegangen. Von seinem Platz aus starrte er zur Mauer hoch, die Hände hinter dem Rücken, und ließ sich von der Höhe offensichtlich wenig beeindrucken – er hätte genauso gut in der eigenen Kajüte stehen können. Die Segeltuchoberfläche des Tragkörpers fiel zu beiden Seiten sanft ab, um die raubtierartige Gestalt zu formen, die Hethor aus weiter Ferne bewundert hatte. Hier oben fühlte er sich zu nah am Rand und am Schicksal des Schiffsarzthelfers.
    Stürzten sie jetzt ab, hätten sie nicht einmal Fallschirme, um den Sturz aufzuhalten.
    Aber das wäre wohl eher ein Segen, dachte sich Hethor.
    Die anderen Offiziere hatten sich hinter dem Kapitän aufgereiht. Cocini wirkte genauso unbekümmert wie Smallwood, aber der Rest wies in unterschiedlichem Maße Zeichen von Nervosität auf. Hethor war heilfroh, im Navigatorennest zu bleiben, auch wenn dessen Reling wenig Nutzen hatte. Immerhin beruhigte sie ihn ein wenig und steckte den Platz, auf dem er stehen konnte, deutlich ab.
    Smallwood deutete zur Mauer hinauf. Hethor folgte der Blickrichtung. Es war, als ob man den Horizont betrachtete, nur dass dieser nach oben verlief. Das Licht spielte ihnen einen Streich, denn in der Ferne erglühten erste Strahlen, als ob die Sonne im Süden aufginge. Dies ließ Hethor an die Messingverzahnungen denken, die auf der Äquatorialmauer glitzerten. Die glänzenden Hörner der Erdumlaufschiene waren direkt über ihnen deutlich zu erkennen und verliefen zu beiden Seiten weiter, nach Osten und Westen. Obwohl sie noch in düsteren Schatten verborgen waren, schien doch genug Licht, um auf der Mauer, die mehrere Meilen über ihnen aufragte, Einzelheiten zu erkennen: Hethor sah weitere Wälder, Wiesen, Schutthalden, den blassen Glanz von Eis oder Schnee, funkelnde Städte, vorüberschwebende Wolken und bleiche Nebelbänke. Über seinem Kopf hing so viel Land, dass daraus eine neue Welt hätte geformt werden können. Und dies alles klammerte sich an die beinahe lotrechte, gigantische Mauer.
    »Gordons Notizen deuten darauf hin, dass er versucht hat, den Diamantpalast zu erreichen«, erklärte Smallwood. »Kaiser Hadrian hat dort ein Kastell für die Legio IV Massalia erbauen lassen. General Gordon hofft, sich dort festsetzen zu können, um eine langfristige Besetzung dieses Mauerabschnitts zu ermöglichen.«
    Man kann die Mauer genauso wenig besetzen, wie man den Atlantik besetzen kann, dachte Hethor.
    »Gordons Notizen deuten auch darauf hin, dass er Anzeichen der römischen Präsenz im Kastell zu finden hofft.«
    So viele Jahrhunderte nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs? Hethor konnte das Lächeln in Smallwoods Stimme beinahe hören.
    »Die beste Deutung dessen, was wir bisher entdeckt haben, geht dahin, dass Gordons Truppe vor ungefähr zwei Wochen das Lager abgebrochen hat. Mit größtem Widerwillen stelle ich Oberleutnant San Lorenzo und die Hälfte seiner Männer ab, um der zu erwartenden Marschrichtung des Generals zu folgen und somit vielleicht seine Nachhut einzuholen. San Lorenzo wird außerdem einige Matrosen mitnehmen, die von ihm auswählt und von mir genehmigt werden müssen. Die Bassett wird zum Diamantpalast aufsteigen. Ich hoffe, wir treffen vor Gordons Truppe dort ein. Wir werden dort eine Luftaufklärung vornehmen und treffen uns mit dem General, falls möglich. Gibt es dazu Fragen?«
    Hethor meldete sich nicht zu Wort, obwohl er Smallwoods Plan für tollkühn hielt. Eine komplette Kompanie der Marineinfanteristen auf der Bassett hatte es mit Müh und Not geschafft, die geflügelten Wilden bei ihrem letzten Angriff zurückzuschlagen, und Hethor hatte Angst, diese Erfahrung zu wiederholen.
    Fähnrich zur See Mayhew meldete sich. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir. Ich weiß, dass wir nicht genügend Offiziere für die Wache haben. Daher könnte es zu Schwierigkeiten führen, wenn sich einer von uns freiwillig meldet, und das Schiff dennoch ordentlich geführt werden soll. Vielleicht könnten Sie einen der Decksoffiziere mitschicken, al-Wazir oder Lombardo, um die Matrosen zu befehligen.« Er fügte ein hastiges »Sir!« hinzu.
    Smallwood nickte. »Ich werde darüber nachdenken. Werfen Sie jetzt einen Blick auf diesen Gebirgspass, bevor die Nacht hereinbricht.« Er

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