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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Chinesisch war, sondern Hebräisch? Hethor kannte sich mit chinesischen Zeichen ein wenig aus, und er hatte in der Lateinschule in New Haven auch Hebräisch gesehen, in biblischen Studien und Diskussion über die römische Besetzung Judäas.
    Das hebräische Wort für das Tetragrammaton fing mit einem Zeichen an, das wie ein Apostroph aussah, gefolgt von einem Symbol, das ein wenig wie der griechische Buchstabe »π« wirkte. Oder wie ein kleines, englisches »n«. Hethor überflog die seltsame, schlingernde, hingeworfene Handschrift auf der Tafel. Sie entsprach nicht den Formen des hebräischen Alphabets, zumindest nicht so, wie er sie kannte.
    In den Zeilen eins, vier und fünf standen ähnliche Zeichen, die den Namen Gottes darstellen könnten. Als ihm dieser Gedanke kam, hörte Hethor für einen Augenblick das Rattern der Welt, als ob die Mitternacht ihn im Navigatorennest überrascht hätte.
    Er ließ die Tafel in eine der Schubladen von Malgus’ kleinem Kartentisch gleiten und bedeckte sie mit Karten von New Orleans und texanischen Küstenlinien. Dann legte er sich, entgegen seiner Befehle, in Malgus’ Koje und dachte über Gabriel, Gott und den Schlüssel der Ewigen Bedrohung nach. Schließlich weckte ihn Dr. Firkin, als er die Tür aufriss und sagte: »Du solltest lieber an Deck kommen, mein Junge.«
***
    Es war kurz vor Sonnenuntergang, ging man von der Aussicht an der Backbordreling in Richtung Norden aus. Die Bucht der senkrechten Stadt lag bereits im Schatten. Zwischen dem Tragkörper, der die Sicht nach oben versperrte, und den sich ins Unendliche erhebenden Mauern der Stadt auf dem Felsvorsprung, konnte Hethor das himmlische Messing am östlichen und westlichen Himmel nicht sehen – aber er konnte es beinahe spüren.
    Da es keine Leiche gab, wurde für den Schiffsarzthelfer auch keine Beisetzung zelebriert. Kapitän Smallwood hatte sich dennoch zu einem Mannschaftsappell entschieden. Hethor huschte so schnell er konnte aus der Luke bei den Offiziersräumen an die Rückseite der angetretenen Divisionen und betete, dass Smallwood seine Verspätung nicht bemerkte.
    »... und so hoffen wir, dass der junge Mister Davies sicher gelandet ist und seinen Weg zur Atlantikküste finden wird, damit er eines Tags nach Hause gelangen kann«, sagte Smallwood. »Möge Gott uns allen diese Gunst erweisen.« Der Kapitän ließ seinen Blick über die versammelte Mannschaft schweifen. »Wegtreten!«
    Hethor wollte den davonstürmenden Matrosen folgen, die es eilig hatten, in die Messe oder vielleicht in ihre Kojen zu kommen, aber Dr. Firkin packte ihn am Arm. »Warte.«
    Wenige Augenblicke später war Smallwood von seinen verbliebenen Offizieren umgeben: Wollers; Oberleutnant Prine, seines Zeichens Dritter Maat; Marine-Oberstabsingenieur Cocini, Befehlshaber der Wasserstoffdivision und der Maschinisten; Fähnrich zur See Mayhew, Pilot und Befehlshaber der Steuerleute, sowie Oberleutnant zur See Sam Lorenzo. Nur die Seekadetten fehlten, denn sie standen auf dem Poopdeck oder woanders Wache, und Dr. Firkin selbst, der neben der Gruppe stand und seine Hand auf Hethors Ellbogen gelegt hatte.
    »Dann mal los«, sagte Firkin leise. »Du bist zwar kein Offizier, aber du bist der Navigator. Du musst das hören.« Er führte Hethor mitten in die Offiziersbesprechung.
    »Da sind Sie ja«, sagte Smallwood, als er Hethor bemerkte. Der Kapitän prüfte ihn mit kritischem Blick. »Haben Sie sich vollständig erholt, Matrose Jacques?«
    Hethor wäre fast ein »Wovon denn?« herausgeplatzt; stattdessen nickte er einfach. »Jawohl, Sir.«
    »Sehr gut.« Smallwood ging zum Hauptmast, zog seine Schnallenschuhe und den Gürtel aus, ließ seinen Dolch fallen und kletterte zur Klappe im Tragkörper hinauf. Die anderen Offiziere folgten seinem Beispiel und entledigten sich aller metallischen Gegenstände.
    Hethor war erstaunt. Es war ihm nie in den Kopf gekommen, dass der Kapitän bereit oder fähig sei, dorthin zu klettern, wohin sonst nur Matrosen gingen.
    Bald hatte Smallwood die Klappe erreicht und kroch in den Tragkörper hinein. Wollers folgte dem Kapitän und blickte Hethor über die Schulter an. Die übrigen Offizieren kletterten hinterher.
    Hethor ging als Letzter, ermuntert von Dr. Firkin. »Bei aller gebotenen Achtung vor Kapitän Smallwood«, sagte Firkin, »muss ich doch sagen, dass ich nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt bin, um über die Laufplanke zu gehen.« Hethor nickte und wusste nicht, was er sagen sollte. Er

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