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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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eine mühselige Reise, und sollten wir einen Fehler machen, haben wir keine Zeit, ihn auszubügeln. Vertrau mir, du willst dich da oben nicht erwischen lassen.«
    »Wo da oben?«
    »Zwischen den Verzahnungen der Zahnräder. Von hier aus ist der einzig vernünftige Weg auf die andere Seite, wenn wir das Messing erklimmen und überqueren. Glaub mir, das ist eine gefährliche Angelegenheit.«
    Die Räder der Zeit überqueren ...
    Hethor staunte über den Gedanken, dass er bald mit eigenen Augen sehen würde, wie Gott in Seiner Weisheit die Zähne der Zahnräder zerspant hatte. Er fragte sich, mit welchen Feilen die Bewegung einer ganzen Welt geformt werden konnten.
    »Hör auf, wie ein Narr zu grinsen, und zieh dich an.« Malgus hielt Hethor ein merkwürdiges, wattiertes Kleidungsstück hin. »Zieh das an. Auch die Stiefel, die ich dir mitgebracht habe. Da oben ist es bitterkalt. Das Wetter wird auf der anderen Seite nicht viel besser sein. Erst wenn wir ehrlichen afrikanischen Boden betreten.«
    Hethor zog die traditionell wirkende, vermutlich chinesische Kleidung an und rieb die Wattierung zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Stoff war viel leichter, als sein Aussehen hatte vermuten lassen, und versprach ihn warm zu halten.
    »Oberleutnant Malgus«, fragte er. »Warum hat der Abt die geflügelten Wilden ausgeschickt, um mich zu holen?«
    »Um uns beide zu holen«, fuhr Malgus ihn grob an. »Ich kann es dir nicht sagen. Vielleicht um des weißen Vogels willen. Er hört auf Stimmen, die weder du noch ich vernehmen können.«
    Diese Antwort hätte Hethor sich auch selbst geben können, aber er würde wohl keine bessere erhalten. Dann eben die praktischen Fragen, sagte er sich. »Wann findet das Sakrament des Hörens statt?«
    »In weniger als einer Stunde. Ich habe dafür gesorgt, dass die restliche Ausrüstung neben der Himmelsleiter bereitgestellt wird. Bring deine Haare in Ordnung, Junge. Wir treffen uns im Orchideengarten.«
    »Und wo ist der Orchideengarten?« Doch Hethor erhielt keine Antwort, denn Malgus hatte den Waschraum bereits verlassen.
    Hethor lächelte. Es gab keinen Grund für ihn, fröhlich zu sein, denn er kam vom Regen in die Traufe, aber zum ersten Mal hatte er ein klares Ziel vor Augen. Endlich hatte er sein eigenes Schicksal in der Hand; endlich konnte er sich der Aufgabe stellen, die ihm der Erzengel auferlegt hatte.
    Er drückte den sauberen, frisch duftenden Stoff der wattierten Kleidung an seine Wange. Noch nie hatte er so gute Anziehsachen getragen. Ihre Qualität und ihre Fähigkeit, seine Körperwärme zu schützen, ließen eine Kälte erahnen, die er nie zuvor erlebt hatte. Aber der Schlüssel der Ewigen Bedrohung schien endlich wieder in Reichweite. Und was immer auch geschehen mochte, er hatte nun den Führer, der ihm vor so langer Zeit in Neuengland empfohlen worden war.
    »Gott wollte, dass du mir hilfst, Simeon Malgus«, flüsterte Hethor und zog sich an.
***
    Haarige, menschenartige Wesen und andere, die Hethors Verständnis von »richtigen« Menschen entsprachen, knieten in Mönchsgewändern auf Matten und beteten. Es waren noch andere Spezies anwesend. Einige waren wesentlich kleiner, wirkten zerbrechlich und sahen sich immer wieder verstohlen um. Ungefähr so stellte Hethor sich die Kinder der haarigen Menschen vor. Aber ihre Körper hatten die falsche Gestalt, als dass sie junge Ausgaben dieser Spezies hätten sein können; ihre Brustkörbe und ihre Gesichter waren zu zart und ihre Beine zu lang. Außerdem blieben sie für sich.
    Hethor sah unter den Betenden keinen der Flieger, ob wild oder nicht.
    Der Abt des Jade-Tempels saß nicht erhöht oder vor seinen Mönchen, sondern kniete auf einer Matte in der ersten Reihe. Ein ernst wirkender, junger Bursche mit den roten Haaren und der rötlichen Haut eines Vinländers oder Normannen schlug eine Glocke. Der Duft von Weihrauch erfüllte den Orchideengarten. Die Blumen glänzten schwach im bleichen Licht des aufgehenden Monds. Hethor konnte die blassen, fleischartigen Blüten zwischen dunklen Bäumen hängen sehen, die durch sorgfältigen Beschnitt und den Wind verbogen wurden. Vorbeiziehende Nebelstreifen ließen jede Blume aussehen, als wäre sie mit Edelsteinen besetzt, und der gesamte Garten bot einen Anblick atemberaubender Schönheit.
    Am Eingang zum Garten, wo das Land sich nach oben neigte, erhob sich die Wand des Hohlrads aus purem Messing aus der Erde und reckte sich gen Himmel. Sie war so glatt, wie nur ein frisch

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