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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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gehämmertes Messingblatt es sein konnte. Die Mauer verlief zu beiden Seiten – nach Osten und Westen –, soweit Hethor sehen konnte. Das Metall erhob sich direkt vor ihm, als wäre es der Rand der Welt, was es in gewisser Hinsicht auch war.
    Ein Holzgerüst schmiegte sich an die Wand aus Messing. Zwischen den Holzbrettern schlängelte sich eine Treppe steil nach oben.
    Das also ist die Himmelsleiter, dachte Hethor. Er fragte sich, ob seine Beine diesen Anstieg bewältigen würden, vor allem, wenn er an den schnellen Marsch über die Verzahnung des Räderwerks dachte, der unweigerlich folgen musste.
    Erneut wurde die Glocke geläutet, und aus dem Osten war ein tiefes Grollen zu hören. Die Mönche sangen in einer sanft schwingenden Sprache, deren Worte in Hethors Ohren dem Grollen und Ächzen von Gottes Zahnrädern stärker ähnelten als alles, was er je zuvor gehört hatte. Das Grollen wurde lauter, umfassender – zu einer Art Echo der ratternden, rasselnden Geräusche des Uhrwerks der Schöpfung, das Hethor früher tief unter sich auf der Erdoberfläche gehört hatte.
    Der Lärm schwoll an. Hethor konnte die Vibrationen nun in seinen Gesichtsknochen spüren, in den Hand- und Fußgelenken und in der Brust. Das Grollen überdeckte alle anderen Sinne Hethors, wurde zur einzigen Empfindung seines Daseins und überdeckten schließlich sein Ich – so, wie die tosenden Stürme, die mit der Bassett gespielt hatten, zu freien, ungebundenen Kräften geworden waren, die sich um Regen und Wind nicht scherten.
    Obwohl alle um Hethor kniend im Gebet versunken waren, starrte er nach oben. Er sah in der Ferne Verzahnungen im Sonnenlicht aufblitzen, während die Erdumlaufschiene wie ein riesiger Turm aus Messing auf ihn zuraste. Er schrie, um den Druck auf seinen Ohren auszugleichen, den das Vorüberziehen der Mitternacht auf seinen Kopf ausübte. In diesem Augenblick war er bereit, sich als letztes Sakrament in die Tiefe zu stürzen. Wie konnte ein Mensch diesen letzten, absoluten Beweis der Einwirkung von Gottes Hand bei der Erschaffung des Universums mit eigenen Augen sehen und dabei geistig und körperlich gesund bleiben?
    Dann war es vorbei. Lärm, Druck und Schmerz verschwanden. Blut strömte Hethor aus Ohren und Nase. Der Normanne schlug weiterhin die Glocke, und die Mönche sangen noch immer, doch Hethor hatte das Gefühl, als hätte das Geräusch des vorüberziehenden gigantischen Räderwerks seinen Körper auseinandergerissen und neu zusammengesetzt.
    Malgus berührte ihn am Arm. »Alles in Ordnung mit dir, Junge? Es gibt nicht viele, die diesem Ritus etwas abgewinnen können.«
    »Ich habe überlebt.« Hethor bemerkte, dass er das Echo in seinem Kopf durch lautes Schreien zu übertönen versuchte.
    »Sie werden noch eine ganze Zeit lang beten«, ließ Malgus ihn wissen, »aber wir müssen uns mit dem Aufbruch beeilen.«
    Hethor folgte Malgus stolpernd zur untersten Stufe der Himmelsleiter. Dort lagen zwei kleine Bündel und einige Wasserbeutel aus Leder. »Ich hätte mehr Ausrüstung erwartet.«
    »Leicht und schnell«, sagte Malgus. »Auf der anderen Seite brauchen wir das nicht mehr.« Er zog etwas aus einem der Bündel. Es waren ein Paar kleiner Keilstücke mit Riemen und Schnallen. »Wenn wir oben sind, musst du sie über deine Stiefel ziehen und mit den Schnallen und Riemen festmachen.«
    »Warum?«
    »Das wirst du noch sehen. Ich gehe als Erster, damit ich nicht die Konsequenzen tragen muss, falls du abstürzt.«
***
    Der Aufstieg war höllisch, nicht nur wegen der zu überwindenden Höhe. Hethor schätzte, dass sie auf den Treppenstufen mehr als zwei Meilen geklettert waren. Das Holzgerüst wurde immer leichter, dünner und zerbrechlicher, bis der letzte Teil ihres Weges nur noch aus federnden Bambusleitern bestand – einzelne Bambusstämme, in die kleine Pflöcke hineingetrieben worden waren, um Händen und Füßen Halt zu bieten. Die Bambusstämme waren mittels einfacher Stoßverbindungen aneinander befestigt. Hethor hatte keine Ahnung, wie die Konstruktion unter seinem und Malgus’ Gewicht halten konnten.
    Die Anstrengung ließ ihn unter der Wattierung seiner Kleidung schwitzen, und der Schweiß rann ihm Rücken und Beine hinunter. Selbst das kleine Bündel fühlte sich nun schwer wie Blei an. Seine Arme waren kraftlos und fast taub von der Anstrengung, und immer wieder stieß er sich mit den Ellbogen schmerzhaft gegen die Brust.
    Bald erreichten beide Männer das Ende der Leiter. Hier oben schien ein

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