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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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zwanzig Meilen reinen Messings. Hethor kämpfte sich nun seit mehr als vier Stunden voran, hatte aber kein Gefühl für die zurückgelegte Strecke. Doch die Sonne war aufgegangen, und Malgus war in der Ferne noch gut zu erkennen, also konnte Hethor nicht in allzu großen Schwierigkeiten stecken.
    Bis er Malgus’ Fluchen hörte.
    Hethor schloss bald zu ihm auf. Malgus fluchte noch immer, wobei er seemännische Verwünschungen benutzte, gemischt mit fremdsprachlichen Feinheiten, und Begriffe verwendete, die Hethor zum Glück noch nie gehört hatte.
    »Was ist los?«, rief er, als er sich in Hörweite befand.
    Malgus warf einen Blick über die Schulter. »Hier ist etwas.«
    Hethor spürte die eisigen Krallen der Kälte plötzlich nicht nur auf Gesicht und Händen, sondern auch im Herzen. Was immer Malgus entdeckt hatte, konnte ihr Todesurteil bedeuten. »Können wir nicht weiter?«
    »Natürlich können wir weiter. Die Räder des Universums zermahlen jeden Tag alles zu Staub.« Malgus seufzte. »Aber ich weiß nicht, was das hier zu bedeuten hat. Ob wir zurückkehren sollen. Noch haben wir die Zeit dazu.«
    »Was hast du denn entdeckt?«
    Malgus bückte sich grunzend und hob etwas auf. Dann drehte er sich um und reichte es an Hethor.
    Es war eine goldene Tafel, die dieselben eingeritzten Zeichen aufwies, die er schon in der vertikalen Stadt gesehen hatte.
    »Es ist eine Nachricht!« Hethors Herz flatterte wie ein aufgeschreckter Vogel. »Eine Nachricht an mich!«
    Malgus schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie du auf diese Idee kommst. Aber wenn es so ist, dann soll es so sein. Was mich angeht – ich habe vor, die andere Seite lebend zu erreichen.«
    Malgus schlurfte weiter. Hethor drückte sich die Tafel an die Brust und öffnete seine warme Kleidung, um sie dort unterzubringen. Dabei erstarrte sein Oberkörper fast vor Kälte, und die Tafel drückte ihm in den Bauch, doch Hethor kümmerte es nicht.
    Gabriel wachte weiterhin über ihn.
    Er war an dem Ort, an dem er sich befinden sollte.
    Eine schwache Vibration im Messing brachte Hethor dazu, sich wieder in Bewegung zu setzen. Er eilte Malgus so schnell hinterher, wie seine Stiefel, die Keile unter seinen Füßen und seine Künste als Schlittschuhläufer es ihm erlaubten.
***
    Die Überquerung des Messing-V verwandelte sich in einen Albtraum aus schmerzenden Muskeln und zu Eis erstarrten Fingern und trieb Hethor an den Rand der Erschöpfung. Immer wieder froren seine Lippen zusammen, und die goldene Tafel vor seiner Brust wollte sich einfach nicht erwärmen, sondern kühlte ihn von innen heraus weiter aus, ließ seine Lungen erzittern und sein Herz immer schneller schlagen. Als die Abenddämmerung einsetzte, verlor er Malgus, der sich weit vor ihm abquälte, endgültig aus den Augen. Das Gefühl völliger Vereinsamung trieb Hethor fast zur Verzweiflung.
    »O Gott«, entfuhr es ihm, als er das V entlangstolperte. »Du hast mich doch nicht hierher geführt, um mich hier im Stich zu lassen? Gib mit Kraft, um dein Werk weiterzuführen, ich bitte dich.«
    Als Antwort vernahm Hethor ein Rattern in der Ferne – ein leises Echo der Musik dieser Welt. Es ermutigte ihn, bis er bemerkte, dass das Rattern allmählich lauter und von einem tiefen Grollen begleitet wurde.
    Das Zahnrad! Die Umlaufschiene näherte sich!
    Hethor begann so schnell zu rennen, wie die keilförmigen Stücke unter seinen Stiefeln es erlaubten, und schaute nach oben. Die gigantische Umlaufschiene der Erde schimmerte über ihm, und ein Dach aus Messing verdeckte die Sterne.
    »Malgus!«, schrie Hethor gellend. »Lass mich nicht hier sterben!«
    Er rannte noch schneller und kämpfte gegen die Müdigkeit in seinen Gliedern an. Die Tafel grub sich schmerzhaft in seine Hüfte und verursachte eine blutende Wunde. Unter seinen Händen, mit denen er das Gleichgewicht hielt, fühlten sich die Wände des V warm an, als ob der nahende Kontakt mit dem Erdumlaufring Hitze verströmte.
    Das Rattern verwandelte sich in jenes Getöse, das Hethor beim Sakrament gehört und das seinen Geist beinahe ausgelöscht hatte. Nur war er damals im Orchideengarten gewesen, fast zwei Meilen unterhalb der Verzahnung, diesmal befand er sich mittendrin.
    Jeden Augenblick würde ihn das Räderwerk in Schmierfett verwandeln.
    »Simeon!«, rief er verzweifelt. »Hilfe!«
    Bald konnte Hethor seinen eigenen Atem nicht mehr hören. Sein rechter Fuß rutschte weg. Der Keil riss sich von seinem Stiefel los, und Hethor fand sich vor Angst

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