Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Mund formte Worte, die Hethor nicht verstand.
Ein Erdbeben!, schoss es Hethor durch den Kopf. Und dafür ist dieser Bastard verantwortlich!
Er hatte William zwar nie einen Zauber sprechen sehen, aber hier, vor seinen Augen, war der Beweis. Alles, was William ihm gesagt hatte, war Lüge gewesen. Dieser Mann stand hinter dem nahenden Untergang der Welt, und er war auch für Hethors Leiden verantwortlich. Sein Bauchgefühl hatte Hethor nicht getäuscht, damals, als er Williams eiskalten Blick im Audienzsaal des Parlaments von Massachusetts auf sich gespürt hatte und in die Grube der Kerzenmännern verbannt worden war.
In diesem Augenblick vermischten sich Hethors Erinnerungen an die Kerzenmänner – und was dort beinahe mit ihm geschehen wäre – mit der Angst um die Zukunft der Welt und führte einen Ausbruch rasender Wut herbei.
Hethor fuhr herum und rammte William, wie er es in der Rugbymannschaft der Lateinschule von New Haven gelernt hatte. Mit aller Kraft schob den großen Hexenmeister über die Brüstung und auf die Messingfläche unter ihnen. Da das Erdbeben die Bewegung der Scheibe fast zum Stillstand gebracht hatte, konnte Hethor nun die aufwändig gestaltete Oberfläche mit ihren Spitzen, Ritzen und Mustern erkennen. Die unzähligen Details standen im deutlichen Widerspruch zu der fast völlig glatten Oberfläche der Erdumlaufschiene auf der Äquatorialmauer.
William stürzte mit offenem Mund, als versuchte er zu schreien, und landete in dem Moment auf der Fläche, als diese sich langsam wieder in Bewegung setzte. Der Hexenmeister wurde fortgetragen. Er winkte Hethor und rief ihm Worte zu, die dieser nicht verstehen konnte. Dann wurde er von der unergründlichen Dunkelheit im Inneren der Erde verschluckt.
William of Ghent war verschwunden, und Hethor blieb in seiner Festung gefangen.
Er rannte los und versuchte, den Weg zurückzuverfolgen, den er gekommen war, um wieder ans Tageslicht zu gelangen. Hethor hatte vor diesem unterirdischem Labyrinth am meisten Angst. Wenn er erst einmal das Erdgeschoss der Festung erreicht hatte, konnte er immer noch durch ein Fenster oder über eine Mauer flüchten.
Die dunklen Korridore führten mal in die Tiefe, mal in die Höhe, und sie schienen viel stärker im Zickzack zu verlaufen, als Hethor sich erinnern konnte, aber er kämpfte sich dennoch durch den Staub und das herabstürzende Gestein voran. Türe zersplitterten ohne sein Zutun, als er durch sie hindurch rannte. Immer wieder blitzte Licht in den Nebengängen auf. Hethor ignorierte das Chaos, das ihm auf dem Fuße zu folgen schien, und floh weiter nach oben.
Schließlich erreichte er die Nische mit den Öllaternen, wo einige von Williams Dienern ihm den Weg versperrten. Die hohen, plattgesichtigen Statuen waren zum Leben erwacht und hatten Speere und Schwerter von den Wänden gerissen, um Hethor anzugreifen.
Er schleuderte seine Laterne auf die Diener, riss einen der Öltöpfe aus der Nische und ließ ihn der Laterne folgen. Augenblicklich standen die Diener in Flammen. Ihre schmalen, volllippigen Münder verzerrten sich zu furchtbaren Schmerzensschreien – zumindest nahm Hethor dies an. Ihre hölzernen Körper stanken so grässlich nach Schwein, dass sie eigentlich aus Fleisch hätten bestehen müssen.
Zum ersten Mal war Hethor froh, taub zu sein.
Er zerrte einen Wandteppich herunter, rollte sich darin ein und rannte durch die brennende, zuckende, um sich schlagende Masse der Leiber, indem er sich mit roher Gewalt einen Weg bahnte. Im Teppich wurde es schnell sehr heiß, und der verbrannte Stoff stank fürchterlich, aber Hethor kämpfte sich dennoch durch die Reihen seiner brennenden Feinde.
Bald erreichte er das Erdgeschoss, dessen Räume mehrere Zugänge besaßen und über größere Galerien verfügten. Ein paar der hölzernen Diener verfolgten ihn weiter, während andere miteinander kämpften. Hethor rannte weiter und suchte nach einer Tür oder einem Fenster, als er um eine weitere Ecke eilte und sich plötzlich im Innenhof vor dem Torhaus wiederfand.
Tierskelette tanzten auf dem Hof. Palmen wiegten sich im Wind, und seltsame, ihm unbekannte Pflanzen drehten und wanden sich, wobei sie grüne Triebe verschossen, die sich wie blinde Schlangen durch die Luft wanden. Vor Entsetzen schreiend rannte Hethor auf das Tor zu. Zu seiner Erleichterung war es nicht verriegelt. Hastig zog er einen Flügel der großen Tür auf, flitzte durch die schmale Öffnung und überquerte eine kurze Steinbrücke, die vor
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