Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
hervorgehoben, während andere gänzlich fehlten. In die geschnitzten Gesichter waren Muscheln und Perlen eingearbeitet, mal in geraden Linien, dann wieder in wilden Wirbeln. Vielleicht sollte es Tätowierungsmuster darstellen, wie Hethor sie auf den Gesichtern der Menschen in Guinea und auf den Westindischen Inseln in Georgetown gesehen hatte.
Auf einem glänzend polierten Holztisch, welcher der Länge nach aus tropischem Hartholz geschnitten zu sein schien, hatte William ein Bohnengericht aufgetischt. Hethor sah Krüge mit Wasser, Wein und Milch, einige Fladenbrote, die einen herrlichen Duft verströmten, den er nie zuvor gerochen hatte, und einen kräftigen dunklen Eintopf, der mit Erdnüssen und klein geschnittenem Fleisch versetzt war. William reichte Hethor eine Schüssel und einen Teller. Beide waren aus schlichter, schmuckloser Keramik und mit Mustern bemalt, auf denen eine Schlange das Ende ihres eigenen Schwanzes jagte. Außerdem erhielt er drei Becher, damit er jedes der Getränke kosten konnte.
William setzte sich Hethor gegenüber und bedeutete ihm, mit dem Essen anzufangen. Dann griff er selbst zu.
Wenn Hethor ihre bisherigen Treffen bedachte, zweifelte er sehr an Williams guten Absichten, doch im Moment konnte er ohnehin nichts an seiner Lage ändern. Außerdem ließ der verlockende Duft des Essens seinen Magen knurren. Hethor langte zu, denn er war ausgehungert, und das Essen schmeckte himmlisch.
Als er den größten Hunger gestillt hatte und den Rest des Eintopfs mit Fladenbrotstücken aufwischte, hob Hethor den Blick und bemerkte, dass William ihn betrachtete. Dann berührte er sein Ohr und zuckte mit den Achseln.
Es war eine stumme Frage: Bist du taub geworden?
Hethor überlegte, William zu ignorieren. Dieser Mann hatte ihn schließlich zu den Kerzenmännern geschickt, bei denen er einen grausamen und langsamen Tod erlitten hätte. Aber nun waren sie in einer anderen Welt, und seine Erfahrungen hatten Hethor sehr verändert. Vielleicht hatte auch William sich geändert. Hethor berührte sein Ohr und nickte. Ja, ich bin taub.
William brachte die Hände nah beieinander und streckte sie wieder aus.
Hethor zuckte mit den Achseln. Ich verstehe nicht.
William stand auf und bedeutete Hethor, ihm zu folgen. Zwei Räume weiter befand sich ein großer Sandtisch; zwischen den kleinen Hügeln lagen Miniaturen von Menschen und Tiere verteilt. William wischte die Miniaturen beiseite und glättete den Sand mit Hilfe einer kleinen Harke. Dann nahm er einen Stock und schrieb: Wie lange schon?
Hethor zuckte erneut mit den Achseln. Er hatte keine Ahnung, ob er seine Taubheit für den Rest seines Lebens behalten würde. »Ich weiß es nicht«, versuchte er zu sagen. Es fühlte sich richtig an, aber er konnte nicht hören, wie die von ihm gesprochenen Worte klangen.
Eine Schande , schrieb William. Dann: Ich kann die Welt retten. Ich bitte dich um deine Hilfe.
An diesem Punkt der Diskussion war er mit William schon einmal gewesen. Hethor versuchte erneut zu sprechen. »Ich bin kein Heiland.«
William lächelte, als ob er in sich hineinlachte. Die Erde liegt in Ketten , schrieb er in den Sand.
Hethor nickte und wartete. William war ein Anführer der Rationalhumanisten und hatte damals in Boston Farbe bekannt. Er wiederholte nur, was sie alle immer wieder sagten: dass die Uhrmacher die Welt in Bewegung gesetzt hatten und eines Tages zurückkehren würden, um die Windungen der Antriebsfeder wieder in Ordnung zu bringen. Es war die Erinnerung, die Hethors Gedanken erneut in Aufruhr versetzte. Dieser Mann hatte ihn ins Verlies geworfen. Wie sollte er ihm trauen?
Gottes Plan ist zu mechanisch. William wischte alles weg, was er bisher niedergeschrieben hatte, und zeichnete nun langsamer und sorgfältiger weiter. Du machst eine philosophische Debatte zu einer wahren Herausforderung. Er verzog das Gesicht, aber in seinen eisblauen Augen war ein belustigtes Funkeln zu erkennen.
Hethor staunte. William schien wirklich etwas Sympathisches an sich zu haben, was merkwürdig war; schließlich stand dieser Mann Gottes Plänen feindselig gegenüber und war obendrein Hethors hartnäckigster Verfolger. Doch ob er den Schlüssel der Ewigen Bedrohung nun fand oder nicht – Hethor wusste, dass er die Pläne Williams auf jeden Fall durchkreuzen musste. Dieser Mann bewegte sich nach Belieben zwischen Nördlicher und Südlicher Hemisphäre und wetterte gegen die unleugbare Beschaffenheit der Welt.
Andererseits war er tauben
Weitere Kostenlose Bücher