Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
Wang. Sie sind in den Künsten der Verwirrung unterrichtet worden.«
»Ich war schon lange verwirrt, bevor ich sie überhaupt kennengelernt habe.«
Wu lachte sanft. »Sind Sie verwirrt, was unsere Position angeht?«
»Nein. Wir befinden uns im Golf von Aden, zu unserer Rechten liegt Arabien, und irgendwo da links liegt Afrika.«
»Wir werden bald schon auf britische Patrouillen stoßen.«
»An unserem Mast weht immer noch ihre Fahne.«
Der Maat stieß Wang mit dem Ellenbogen an. »Wir werden dieselbe Geschichte wie in Panaji erzählen.«
»Also …« Der Katalogisierer musterte Wu. »Gestern haben Sie mich für etwas, das ich nicht getan habe, bewusstlos geschlagen. Heute bitten Sie mich darum, für unser aller Leben und Sicherheit verantwortlich zu sein. Männer zu motivieren gehört nicht gerade zu Ihren Stärken.«
»Ihr Leben und Ihre eigene Sicherheit hängen vor allem von Ihnen selbst ab.«
»Ich werde mit den Patrouillen sprechen«, sagte er. »Ich habe diese Childress nun zweimal getroffen und möchte sie unbedingt wiedersehen.«
Einer der Matrosen rief ihnen vom Ruderhaus zu: »Kriegsschiff backbord voraus.«
Sie blickten ihn die angegebene Richtung. Ein weißer Umriss zeichnete sich am Horizont ab.
»Nun bekommen Sie Ihre Chance«, sagte Wu.
»Während nicht nur böse Blicke, sondern auch entsicherte Waffen von beiden Seiten auf mich gerichtet werden. Daran habe ich keinen Zweifel.«
Wu klopfte ihm auf die Schulter. »Das mag ich an Ihnen. Sie sind Realist.«
Kitchens
Ottweill bedachte ihn mit einem verschmitzten und zugleich prüfenden Blick. Dann ging er wieder zu der Sperre zurück, an der die Arbeiter ihre unerwartete Pause eingelegt hatten.
»Zurück zum Hauptlager«, ordnete der Doktor an. »Ich werde mich mit diesem hervorragenden Bürokraten vertraulich unterhalten. Ich benötige keine Wachen. Wenn ich zurückkehre, fängt die nächste Schicht an.«
Leiser Jubel ertönte, der in den unruhigen Schatten schnell wieder verstummte. »Sollen wir den Dampfbohrer komplett herunterfahren?«, fragte jemand.
»Nein, lasst ihn im Leerlauf. Ich werde das Feuer selbst kontrollieren, sollten wir zu lange brauchen.«
»Dann los mit euch, ihr Pack«, rief ein fetter Mann mit zerknittertem Gesicht.
Kitchens folgte Ottweill den Tunnel entlang, bis der Doktor einen kleinen Hügel aus Gesteinsbrocken fand, der ihm zusagte und auf den er sich setzte. Er holte einen kleinen Silberflachmann aus seinem Arbeitsoverall. »Slibowitz?«
»Nein, danke.«
Der Doktor nahm vorsichtig einen Schluck, verschloss den Flachmann wieder und steckte ihn weg. »Nur bei besonderen Gelegenheiten erlaube ich mir diesen Luxus. Diese Mauer wird mein Grab sein; es ergibt also keinen Sinn, das Zeug aufzusparen. Disziplin ist für mich aber immer das höchste Gebot.«
»Doktor«, sagte Kitchens. »Ich habe noch nie erlebt, dass Sie sich mit einer Antwort dermaßen Zeit lassen. In den meisten Fällen muss man dem Trommelfeuer Ihrer Antworten aus dem Weg gehen.«
»Ich kenne Ihren Typ. Sie würden eine Frage über die Geheimgesellschaften nicht leichthin stellen. Ich werde mir daher meine Antwort wohl überlegen.«
Was in diesem Augenblick immerhin eine eindeutigere Antwort war, als Kitchens überhaupt erwartet hatte. »Ich verstehe, Sir.«
»Ich habe zuerst in Heidelberg studiert«, erzählte ihm Ottweill. »Dann ging ich an die Technische Hochschule Berlin, anschließend an die Universität von St. Andrews. Es gab einmal eine Zeit, da habe ich mich für einen Philosophen gehalten.«
Kitchens zuckte bei dieser Aussage ein wenig zusammen.
Ottweill hob eine Hand, als ob er eine Reaktion unterbinden wollte. »Nein, das ist wahr. Ich hatte meine Träume, unter der Erde zu bauen, niemals aufgegeben, nicht, seit ich meinen ersten Tunnel im Keller meiner Großmutter gebaut habe. Da war ich fünf. Vater hat mir eine ordentliche Tracht Prügel versetzt, das kann ich Ihnen sagen. Aber eine Zeit lang fand ich Gefallen an dem Gedanken, dass in den Geistern der Erde Wahrheit lag und dass ein Mann mit einer Schaufel auf seinen Reisen auch von einem Lichtquell des Wissens begleitet werden konnte. Was würden uns die Flintstücke im Kalkstein verraten oder die kleinen Tiere, die in den Kohleflözen eingeschlossen waren, als ob sich ihre Knochen erst dort ausgebildet hätten? Was würden uns die Formen des Berginneren über die Bedürfnisse der Schöpfung eröffnen? All diese Dinge lernte ich, während ich zechte, mich schlug und mich
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