Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
meinen Unterrichtsstunden in Mechanik, Chemie, Geologie und den Verwendungsmöglichkeiten der Dampfkraft widmete. Sie führten mich am Ende zum Studium anderer Philosophen. Professor Doktor Grüne in Heidelberg hatte damals eine Studie zur Literatur über diese Geheimgesellschaften angefertigt. So geheim sind sie gar nicht, nur gehen sie recht still und leise vor. Er zeigte mir, wie alt die weißen Vögel waren, diese avebianco , deren Ursprünge im frühchristlichen Rom zu finden sind. Er zeigte mir, wie der Schweigsame Orden aus den dualistischen Religionen Persiens heraus entstanden war. Es hat auch noch andere Gesellschaften gegeben, mit anderen Zielen, aber diese beiden haben sich seit Langem mit unterschiedlichen Visionen von Gott und Seinen Plänen für die Welt auseinandergesetzt.«
    Ottweill holte den Flachmann wieder hervor und nahm einen weiteren vorsichtigen Schluck. Diesmal bot er Kitchens nichts an. Der Sonderbeauftragte starrte ihn fasziniert an und fragte sich, wie viel der Doktor ihm noch erzählen mochte.
    »Sie behandeln die Monarchen unserer Zeit nicht wie ihre Marionetten, aber sie haben doch erheblichen Einfluss auf das, was gespielt wird. Ein Mann kann zu einer Pfarrgemeinde gehören oder Absolvent einer Universität und zugleich ein weißer Vogel oder Mitglied des Schweigsamen Ordens sein. Wenn Sie mich fragen, ob der Tunnelbau ein Projekt einer dieser Gesellschaften ist, dann muss ich natürlich mit ja antworten. Dasselbe gilt dann aber auch für die Royal Navy, die übrigens im Wesentlichen den avebianco zuzurechnen ist, wenn wir mal ehrlich sind. Dasselbe gilt aber auch für die Arthus-Legende und für so ziemlich alles, was auf dieser Welt irgendwie von Bedeutung ist.«
    Ottweill sah auf die Mauer ihnen gegenüber und schien die Muster in den Schatten eingehend zu betrachten. Als Kitchens sicher war, dass der Doktor nicht nur eine Atempause einlegte, ergriff er das Wort.
    »Sie würden also behaupten, dass dieser Tunnel nicht von diesen Gesellschaften erdacht oder finanziert wurde, um ihre Ziele zu erreichen, aber dass diejenigen, die ihn erdacht und finanziert haben, möglicherweise dieselben Ziele verfolgen.«
    Ottweill ließ sich mit der Antwort Zeit. »Eine ausgewogene Aussage. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass die Rationalhumanisten ein größeres Interesse daran haben, das Staatswesen erstarken zu lassen, mit all seinen Begleiterscheinungen. Aber nein, dieses Projekt entstammt nicht den verborgenen Hallen Valettas oder Phukets.«
    Valetta? Davon hatte er bisher noch nie gehört. Kitchens fragte sich, wie viel von diesen Dingen der Admiralität bekannt war und wer unter den Sonderbeauftragten diesen geheimen Meistern diente. Amberson? Der verrückte Leibarzt der Queen, Stewart? »Ich würde doch meinen, dass ich wüsste, wenn dies der Wahrheit entspräche«, sagte er und wusste, dass das Gegenteil der Fall war.
    »Dieser Tunnel war meine Vision und von diesen uralten Motiven unbeeinflusst.« Ottweill klang traurig und wütend zugleich, als ob er sich wieder in das herablassende Energiebündel verwandelte, das sich bei ihm als Naturzustand durchgesetzt hatte. »Die Geister in Whitehall, die es unterstützt haben, waren ganz sicher nicht unbeeinflusst. Selbst die Queen hat meine Arbeit mit ihrer Zustimmung gesegnet.«
    Kitchens spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. »Sie haben mit der Queen gesprochen?«
    Ottweills Miene versteinerte sich, und er starrte ihn misstrauisch an. »Ja. Und Sie?«
    »Als sie sich in Osborne House aufhielt?«, fragte der Sonderbeauftragte, dem es fast den Atem verschlug. »Oder … später?«
    »Sie sind eindeutig ein Mann vieler Geheimnisse.« Die Stimme des Doktors überschlug sich nun fast. »Beides stimmt. Einmal vorher und einmal … später.«
    »Ihr Zustand muss das Werk der Gesellschaften sein«, flüsterte Kitchens.
    »Ich sage dazu nichts mehr«, stellte Ottweill fest. Er stand zitternd auf.
    Sie gingen schweigend zu dem verriegelten Metalltor zurück, dann hindurch zur Draisine.
    »Sie werden uns jetzt verlassen.« Der Doktor löste die Bremsen. »Wir verhungern hier und sind ständigen Angriffen ausgesetzt. Erfüllen Sie Ihre Pflicht, bringen Sie Verstärkung und Nachschub herbei, und ich werde mich um den Tunnel kümmern.«
    »Hinein in massives Messing?«, fragte Kitchens. Er war davon überzeugt, dass dieses Projekt am Ende war, egal, was der Doktor dazu sagte.
    »Ich werde einen Weg finden. Und wenn es mitten hindurch

Weitere Kostenlose Bücher