Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
überdenken.«
»Was denn? Sind Sie jetzt auch noch ein Wahrsager?«
»Nein, nur ein Mann, der den Willen seiner Monarchin erfüllen will. Treu und dumm zugleich, daran habe ich keinen Zweifel.« Er hielt inne, nahm seinen Mut zusammen und ordnete seine Gedanken. »Das ist meine Frage. Sind Sie Mitglied in einer der Geheimgesellschaften? Sind diese Grabungen im Auftrag der weißen Vögel oder des Schweigsamen Ordens erfolgt?«
Wang
Er hatte weiterhin Kopfschmerzen. Er war sich sicher, dass dies auch in den nächsten Tagen der Fall sein würde. Die Rippen taten ihm furchtbar weh, und er konnte sich nicht sonderlich gut bewegen. Er mochte dieser Mission vielleicht einmal treu gewesen sein, aber nach Wus Verrat war davon nichts mehr übrig geblieben.
Der Katalogisierer genoss einen ruhigen Morgen in der kleinen Kombüse, auf deren großem Tisch Karten ausgebreitet waren. Die Good Change hatte ihren Treibanker ausgebracht, und die Küste Goas zeichnete sich am östlichen Horizont nur noch als schmale schwarze Linie ab. Die Five Lucky Winds könnte sie in weniger als zweihundert Metern Entfernung getaucht überholen, und sie würden es nicht einmal bemerken.
Der Maat war so freundlich gewesen, ihre aktuelle Position einzuzeichnen. Wang war nicht entgangen, dass er die Kombüse von außen abgeschlossen hatte.
»Wo sollte ich denn hingehen?«, fragte er den Indischen Ozean.
Leung hatte wenige Möglichkeiten. Nach den Morden an der Sondereinheit der Nanyang Flotte vor der Küste Sumatras hatte er sein Leben verwirkt und seine Position als Kapitän verspielt. Nach Südosten um das Kap Komorin in den östlichen Teil des Indischen Ozeans zu fahren und dann weiter in die Andamanensee zu reisen kam daher nicht infrage. Luftschiffe würden ständig Patrouille fliegen, und die konnten Unterseeboote recht leicht entdecken. Selbst Wang wusste das.
Von Goa aus könnte die Five Lucky Winds auch nach Südwesten zu den Malediven fahren, aber Wang konnte nicht erkennen, welchem Zweck das dienen sollte. Was sollten sie dort anfangen?
Der Weg nach Westen ins Arabische Meer wiederum würde sie Richtung Süden nach Mogadischu zwingen oder aber nach Norden in den Golf von Aden. Wenn die Maske Childress lediglich vorgehabt hätte, die Mauer zu erreichen, so hätte sie das von Chersonesus Aurea oder von irgendeiner der Inseln der Kepualuan-Riau aus tun können. Oder vom Ort des Massakers aus, das vor der Südküste Sumatras stattgefunden hatte.
Childress war Engländerin. Sie war außerdem eine Maske der avebianco . Sie war aus eigener Kraft emporgekommen und zu Macht gelangt. Wang stellte mit Überraschung fest, dass ihn diese Frau immer mehr faszinierte. Sie hatte alle Verbindungen gelöst, die sie an die Welt der Engländer gekettet hatten. Nun unterstand ein Unterseeboot ihrem Befehl, und da sie wertvolle Geheimnisse bei sich trug, würden ihre Chancen, Freunde, Geld oder Unterstützung zu finden, mit jedem Tag wachsen, je mehr sie sich dem Herzen des britischen Empire näherte.
Sie musste auf dem Weg zum Golf von Aden sein, um einen der dortigen Häfen zu erreichen oder durch den Suezkanal in das Mittelmeer zu fahren. Wie Leung vorhaben mochte, ein Unterseeboot heimlich durch diese Gewässer zu steuern, überstieg Wangs Vorstellungskraft, aber Childress und ihr verrückter Diener könnten jederzeit ausschiffen und ihre Reise an Land fortsetzen.
»Jetzt kenne ich den Kurs«, rief er der verschlossenen Tür zu.
Dreizehn
Und da wir fuhren an einen Ort, der auf beiden Seiten Meer hatte, stieß sich das Schiff an, und das Vorderteil blieb fest und unbeweglich; aber das Hinterteil zerbrach von der Gewalt der Wellen.
Apostelgeschichte 27:41
Boas
Longoria lehnte mit Bootsmann McCurdy an der Bugreling, als Boas an Bord kletterte. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt. Mehrere Matrosen drängten sich mittschiffs unter der Unterseite des Tragkörpers zusammen. Eine einsame Gestalt stand achtern am Steuer.
McCurdy kam zu Boas herüber. »Seekadett Longoria hat mir gerade mitgeteilt, dass der Skipper das Steuer führt, seitdem er uns gestern von Bord hat gehen lassen.«
»Er – er hat die ganze Nacht Hymnen gesungen«, sagte der Bursche.
»Hab ihm gesagt, dass wir – wir den Bootsmann brauchen. Er hat dann irgendwann den Kurs gesetzt. Hat seitdem kein Wort mehr gesagt. Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll.«
»Entheben Sie ihn seines Kommandos«, sagte McCurdy in schroffem Ton, als ob er sich nicht die ganze Zeit über
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