Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
von der Seite zu. Childress folgte seiner Blickrichtung. Sie wusste, was er dachte.
    »Benutz es nicht«, flüsterte er und umarmte Paolina.
    Das Mädchen weinte an seiner Schulter. »Ich kann es nicht«, flüsterte sie.
    Der Bootsmann hatte das bereits erkannt und sich wieder ans Planen gemacht. Leung und Wang schlossen zu der Gruppe auf.
    »Kapitän«, sagte al-Wazir. »Können wir zwanzig bewaffnete Männer in einer gesicherten Position angreifen? Wir werden mindestens die Hälfte unser Leute verlieren.«
    Leung sah unzufrieden aus. »Was gewinnen wir?«
    »Das Kriegsende«, sagte Paolina und löste sich von Childress’ Schulter. »Und was noch wichtiger ist, wir beenden diesen ganzen Wahnsinn.«
    »Wir bereiten der Queen ein Ende, und ihr Wunsch ist nur rechtens«, antwortete Kitchens. »Aber ich muss dies tun, oder wir werden versagt haben.«
    »Hier kommt keiner von uns lebend heraus«, sagte Martins. »Werden Sie sich ergeben und sich wie einen räudigen Köter niederknallen lassen? Oder werden Sie bis zum letzten Mann kämpfen?«
    Nun sah Leung zu Childress zurück.
    War dies wirklich ihre Entscheidung? Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis weitere Verteidiger eintrafen.
    Warum war dies ihre Entscheidung?
    Weil sie eine Maske war.
    Dies war ein Spiel der Geheimgesellschaften und der miteinander streitenden Kaiserreiche, und damit gehörte dies genau zu ihren Aufgaben. Sie hatte die Rolle der Maske Poinsard damals unter einem falschen Vorwand angenommen. Nun war es an der Zeit, die volle Verantwortung für diese verborgene und kaum fassbare Macht zu übernehmen.
    Männer würden sterben. Viele Männer. In diesem Augenblick wurde ihr Paolinas Schmerz wie nie zuvor bewusst, denn sie war ständig dazu gezwungen worden, die Taschenuhr zu verwenden und Gewalt mit neuerlicher Gewalt zu beenden.
    Wann würde es ein Ende nehmen?
    Nicht hier, nicht jetzt, nicht heute.
    »Befehlen Sie den Angriff«, sagte sie. »Lassen wir uns Mr Kitchens seine Chance geben.«
    Leung bellte den Befehl. Al-Wazir suchte sich seinen Einsatztrupp zusammen. »Ich gehe als Erster«, teilte er laut mit. »Die Jungs werden verwirrt sein, wenn Sie mich plötzlich erblicken. Das könnte uns einige Sekunden Zeit einbringen.«
    Sie brüllten alle auf Chinesisch, zählten bis zehn und strömten gemeinsam mit den wenigen Matrosen, die Kitchens noch zur Verfügung hatte, mit einsatzbereiten Karabinern und Pistolen um die Ecke.
    Paolina
    Sie stand zitternd im leeren Raum. Nur Childress war noch bei ihr. Selbst dieser pummelige Zivilist – hatte ihn jemand Wang genannt? – war brüllend in die Gewehrsalven hineingerannt. Der Kampflärm war praktisch ohrenbetäubend, und unzählige Kugeln zerfetzten die Wände im Flur. Childress drückte sie gegen die linke Wand, wo die Chance, von einem Fehlschläger getroffen zu werden, am geringsten war.
    »Ich – ich hätte die Taschenuhr verwenden sollen«, sagte Paolina. Hethor hatte ihr gesagt, die Welt bestehe aus Staub und Zahnrädern, dass die Taschenuhr ein Instrument des freien menschlichen Willens sei. Warum wurde sie von dieser Macht nur so gequält? »J-jetzt werden sie alle s-sterben. Das ist meine Schuld. Schau, sie sind sogar über Gashansunus Leiche getrampelt.«
    Die Hexenmeisterin war kaum noch zu erkennen, denn ihr Körper war völlig zerfetzt.
    Etwas knallte laut.
    »Du musst dich beruhigen«, sagte Childress. »Kann dich die Taschenuhr jetzt wegbringen?«
    »J-ja. Ich könnte euch alle jetzt allein und sterben lassen und mich in Sicherheit bringen.«
    »Dann geh«, forderte die Bibliothekarin sie auf. »Hier ist schon genug geschehen. Geh einfach.«
    »Zu Boas.« Paolina fühlte sich fürchterlich. Alles in ihr schrie danach zu fliehen. Ihre Liebe für den Messingmann verlangte dasselbe. Sie war nur aus dem Grund hier gefangen, weil die Entscheidungen, die Boas getroffen hatte, sie zur Treue verpflichteten. Das war die Krönung von Kitchens’ wahnsinnigem Auftrag.
    Dann hörten die Schüsse auf einmal auf. Es herrschte eine beunruhigende Ruhe im Gebäude, unterbrochen nur von dem fernen Knistern eines Feuers und von gedämpften Rufen. Diener, die das Feuer bekämpften, oder Soldaten, die sie bekämpften.
    »Sehen wir nach?«, fragte Paolina.
    Childress zuckte mit den Achseln.
    Dann beugte sich Wang um die Ecke. Sein Gesicht war blutüberströmt, und es lag eine ungekannte Wildheit und Finsternis in seinem Blick. »Es war ein Desaster, doch wir haben gesiegt. Der Preis war zu

Weitere Kostenlose Bücher