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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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geworden, dass er fast schon glaubte, dass sie bereits hinab in die Hölle gefahren waren.
    Kitchens
    Das Rasiermesser lag mit beruhigender Vertrautheit in seiner Hand. Er hatte es in seiner Kindheit in den Savoyen zu nutzen gelernt und war dann später in der Kunst des Tötens am Black College unterrichtet worden. Kitchens wusste, dass er eigentlich al-Wazir bloß zuzurufen brauchte, Dr. Stewart zu erschießen, aber hier stand der Mann vor ihm, der vermutlich mehr als alle anderen für ihr Leiden und ihren Schmerz verantwortlich zeichnete.
    Das Leiden der Queen.
    Stewarts chirurgisches Werkzeug blitzte erneut auf. Der Doktor mochte zwar der Beste darin sein, Leichen auf einem Tisch aufzuschlitzen, aber er hatte keine Ahnung vom Kämpfen. Kitchens trat in die Stichbewegung hinein, um das Rasiermesser in einem Bogen nach oben zu führen und der Wange des Mannes einen Schnitt zuzufügen.
    »Sind Sie fertig?«, fragte er.
    Stewart keuchte und legte eine Hand auf die Wunde. »Sie sind des Wahnsinns!«
    »Ich habe das Leben der Queen nicht über das natürliche Maß hinaus verlängert!«
    Ein weiterer Stoß, ein Schritt, dann verlor der Doktor den Halt. Kitchens bewegte sich blitzschnell und zog das Rasiermesser über die Seite seines Halses.
    Wie alle echten Messerkämpfe war dieser schnell vorbei.
    Stewart brach spuckend und Blut verspritzend mit einem lauten Schrei zusammen.
    Kitchens trat ihm gegen den Kopf. Dann ging er auf den Behälter der Queen zu. Hinter ihm war ein einzelner Schuss zu hören, als jemand dem Stöhnen des Doktors ein Ende setzte.
    Er wusste nicht einmal, wie er dies hier öffnen sollte. Riegel und Schlösser zogen sich am Rand der Öffnung entlang, durch die er bei seinem ersten Besuch geblickt hatte. Sie waren umgeben von den hin und her springenden Anzeigen irgendwelcher Messgeräte.
    Es wäre ihm zuwider, sie in den Behälter schießen zu lassen. Wenn der Queen geholfen werden musste zu sterben, dann wäre er derjenige, der den schlimmsten Verrat beginge – Königsmord.
    Kitchens legte Hebel um und versuchte, die Luke zu öffnen. Es musste eine größere Öffnung geben; eine Möglichkeit, die Kammer insgesamt aufzumachen, denn nur so hatte man die Person Ihrer Kaiserlichen Majestät überhaupt in dem Behälter unterbringen können.
    Die kleine Luke öffnete sich mit einem Mal. Er riss sie hinab und warf sie klappernd zu Boden. Ein aufgedunsenes, blasses Gesicht sah ihn mit eiskaltem, unverwandtem Blick an und war ihm trotz aller Veränderungen nach einem Leben, in dem ihm Münzen, Plakate, Pflicht und Treue ihr Konterfei in die Erinnerung gebrannt hatten, vertraut.
    »Eure Hoheit«, sagte Kitchens und plötzliche, panische Angst ergriff Besitz von ihm. »Ich bin hier, um das zu erneuern, was zu Fall gebracht wurde. Ich kann Euren Thron zerbrechen, wenn ich Euch helfen darf zu sterben. Ist dies wirklich Euer Wille?«
    Ihre Lippen blubberten und warfen Bläschen.
    Er hob das Rasiermesser, das vom Tod Dr Stewarts noch feucht und scharlachrot gefärbt war.
    Ein weiteres Blubbern, dann ein langsames, langes Blinzeln.
    Würde er ein Königsmörder sein, sein Name jahrhundertelang verflucht? Oder war er ein Engel der Barmherzigkeit?
    »Ich bin nur ein Sonderbeauftragter, meine Queen«, flüsterte Kitchens, den das Ausmaß dessen, was er nun vorhatte, mit einem Mal mit Grauen erfüllte. »Dies kann nicht meine Aufgabe sein.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Stimmen waren draußen zu hören, die Aufforderung, sich zu ergeben, ängstliche Schreie anstelle der wütenden Verfolgung, die sie eben noch erlebt hatten. Eine weitere rote Blase platzte auf ihren Lippen.
    Kitchens glaubte für einen Augenblick, Verzweiflung in ihrem Blick zu sehen.
    Er führt das Rasiermesser nach unten.
    Queen Victoria legte ihren Kopf zurück und lächelte.
    Mit einer sicheren Handbewegung endete die Geschichte und fing von vorne an.

Dreiundzwanzig
    Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und
auf ihnen Namen der zwölf Apostel des Lammes.
    Offenbarung 21:14
    Boas
    Er öffnete die Augen. Diesmal konnte er seinen Körper wieder spüren. Dieselbe Decke erstreckte sich über ihm, auch wenn er die aus einem Auge nur auf eine seltsame Weise erkennen konnte.
    Der Messing lag still da und lauschte den Stimmen in seinem Kopf.
    Sie schrien ihn nicht an, doch irgendwie waren sie da. Gedanken in seinem eigenen Kopf, ähnlich wie er die Paolina-al-Wazir Stimme gehört hatte, bevor alles so schrecklich falsch gelaufen war. Das

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