Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
hoch.«
Paolina erzitterte, riss sich dann zusammen und schritt voran, um herauszufinden, was aus ihren Freunden geworden war.
Überall lagen Leichen. Chinesen und Engländer, Angreifer und Verteidiger. Einige stöhnten oder stießen beim Atmen kleine rote Bläschen aus. Andere waren zerbrochen, zerfetzt. Al-Wazir stand inmitten einer kleinen Gruppe Chinesen. Seine roten Haare waren blutverschmiert und an einer Stelle abgerissen, wo etwas über seinen Schädel geglitten war. Alle anderen waren in einem furchtbaren Zustand.
»Leung ist tot«, sagte Wang.
Childress schrie gellend auf und bedeckte dann ihren Mund. Paolina konnte ihren Schmerz nachempfinden.
Die Gruppe löste sich auf und stolperte rückwärts. Das Mädchen entdeckte Kitchens und glaubte, auch einige andere zu erkennen. Dann brach die Tür mit einer Explosion aus Licht und Lärm auf.
Alles schien außer der Reihe zu geschehen. Childress hatte sich hingekniet und weinte über einer Leiche. Al-Wazir war an der Wand heruntergerutscht und wirkte überrascht. Kitchens drängte in das nächste Zimmer, gefolgt von bewaffneten Männern.
Konnte sie sie heilen? Wo konnte sie sie hinbringen?
Hatte sie dazu das Recht?
Alle hatten sich entschlossen, genau diesen Punkt zu erreichen, ob sie nun in diesem Palast starben oder überlebten.
Sie konnte sie nicht einfach entfernen.
Paolina kniete sich neben Childress.
Leungs Mund stand offen, als ob er eine letzte Lebensweisheit mitzuteilen gehabt hätte. Seine Stirn wurde durch ein klaffendes drittes Auge verunstaltet, blutig und seltsam, das all seine Worte verschluckt und ihn mit einem leeren und umwölkten Blick zurückgelassen hatte.
»Ich glaube nicht, dass er sich jemals außerhalb der Befehle von Admiral Shen bewegt hat«, sagte Childress in einer seltsam ruhigen Stimme. »Sie haben ein langes und sorgfältig geplantes Spiel gespielt, einschließlich der Meuterei und dem Tod der Nanyang-Flotte.« Sie verstummte für einen Augenblick, bevor sie weitersprach. »Zumindest möchte ich das gerne glauben, denn dann wären alle seine Handlungen bedeutungsvoller als dieser törichte Tod.«
Sie beugte sich zu ihm hinab und küsste seine erkaltenden Lippen.
Paolina half Childress aufzustehen, und sie sahen nach, ob einige der Verwundeten vielleicht überleben würden. Sie konnte nicht zu Boas gehen, bevor dies nicht erledigt war.
Wang
Die Frauen waren beim Kapitän. Er kannte keine andere Verantwortung, als zu folgen, und die Befehle des Schweigsamen Ordens und des Kô waren schon lange über Bord geworfen worden. Er trat durch die Tür, um zu sehen, was sie gewonnen hatten.
Ein weitläufiger Raum, der zum größten Teil im Dunklen lag; zwei Blasebälge zu beiden Seiten der Tür, ein großer Behälter am Rand des erhellten Bereichs. Schläuche und Kabel führten aus ihm heraus. Eine Frau lag weinend auf dem Fußboden neben einem leeren Schaukelstuhl.
Von den etwa vierzig Männern, die sich in den Kampf gestürzt hatten, waren noch acht übrig und standen neben al-Wazir. Ihre Waffen hatten sie auf Kitchens gerichtet. Diesem stand ein rotgesichtiger Engländer gegenüber, dessen Waffe ein langer, biegsamer Stab mit einer glitzernden Klinge an seiner Spitze war.
»… nicht die Queen«, rief der letzte Verteidiger. Sein Akzent glich dem al-Wazirs.
»Dieser Wahnsinn hat nun ein Ende, Dr. Stewart.« Etwas Metallenes blitzte in Kitchens’ Hand auf.
Die zwei umkreisten sich wie Kampfhähne in der Arena.
Wang fragte sich, wo der Mönch war. Sie würde diesem Kerl ein Bein gestellt und die Schnürsenkel zusammengebunden haben, um ihm anschließend ihren Pfeifenrauch ins Gesicht zu blasen.
Wang trat neben al-Wazir. Er verspürte eine seltsame Vertrautheit mit dem riesigen, einhändigen Mann. »Warum erschießen Sie den Irren nicht?«
»Das habe ich gerade vor«, knurrte al-Wazir.
Kitchens versuchte es erneut. »Dr. Stewart, seien Sie vernünftig.««
Stewart starrte zu den Matrosen hinüber. » Ich habe den Feind nicht hierher gebracht.« Er stieß mit seiner Waffe nach Kitchens, der ihr leichtfüßig auswich.
» Sie sind hier der Feind«, brüllte der Bootsmann.
Wang schlich sich hinter al-Wazirs Männern an der Wand entlang am Schaukelstuhl vorbei, bis er den Tank erreichte, der offensichtlich den Siegespreis darstellte. Er bückte sich, um die Rohre und Schläuche zu betrachten, und fragte sich, was sie zu bedeuten hatten und ob man sie ordentlich beschriftet hatte.
Dieser Tag war so fremdartig
Weitere Kostenlose Bücher