Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
herumstanden, aber die meisten suchten ihr Glück in der Ferne.
Jemand schrie laut auf, und eine stumme Glocke von der Größe der Welt begann zu läuten.
Childress
Die Queen kreischte einmal auf und blubberte dann nur noch. Kitchens wandte sich von dem Gemetzel ab, das er angerichtet hatte, und die Spuren einer hellroten Fontäne zeichneten seine Brust und sein Gesicht. Die Augen des Sonderbeauftragten funkelten mit der Intensität endgültigen Wahnsinns.
Die blinde Magd schlug die ganze Zeit mit den Fersen auf den Boden und heulte wie eine Zwingerhündin beim Tod ihres Herrn.
Wang erhob sich hinter dem Behälter. »Hier verlaufen Schläuche für Öl, Blut, spirituellen Äther und Pulmonalflüssigkeit. Außerdem electrische Leitungen. Wenn Sie wollen, dass diese Tat unumkehrbar ist, dann sollten wir sie durchtrennen.«
»Ich habe sie getötet.« Kitchens’ Stimme klang hell und zerbrechlich.
Paolina trat vor und sah in den Tank hinein. Sie wirkte ernster, entschiedener, jetzt, wo der Tod alles besiegelt hatte.
»Sie haben Ihre Aufgabe beendet. Ich will zu Boas.« Ihr Tonfall war im Gegensatz zu Kitchens’ auffällig geistesabwesend.
»Kannst du die Überlebenden mit dir nehmen?«, fragte Childress.
Paolinas Blick war auf einen Ort in weiter Ferne gerichtet. Sie hielt die Taschenuhr bereits in ihren Händen. »Ja. Wer kommt mit?«
»Ich nicht«, antwortete die Bibliothekarin. »Ich muss hierbleiben und mich dem stellen, was kommen mag. Ich bin für die avebianco hier. Und fürwahr, auch für Admiral Shen.«
»Ich bin Engländer«, sagte der Seebär. »Ich werde mich der englischen Justiz stellen.«
Kitchens nickte. »Ich ebenso.«
Wang mischte sich ein. »Ich sollte bei der Maske Childress bleiben. Ich bin mit einer Aufgabe betraut, die ohne sie nicht erledigt werden kann.«
Paolina sah zu al–Wazir auf, zu dem Mann, den sie auf jeden Fall mitgenommen hätte, wäre es ihr nur möglich gewesen. Er hielt eine Hand auf seine rechte Seite gepresst, und Blut strömte durch die Finger hindurch. »Ich glaube nicht, dass ich mitkommen sollte. Ich bin tödlich verwundet.«
Die sieben überlebenden Matrosen Leungs wirkten verwirrt. Childress sprach sie auf Chinesisch an. »Das Mädchen wird mit ihren magischen Kräften zur Mauer aufbrechen. Ich schlage euch dringend vor, ihr zu folgen, denn auch wenn die Engländer mit uns verhandeln würden, so würdet ihr doch als Todfeinde hingerichtet.«
Der alte Koch, Lao Mu, war einer der Überlebenden. »Dürfen wir so viele von den Verwundeten mitnehmen wie möglich?«
»Paolina«, sagte Childress, »sie möchten mit dir mitgehen, aber sie wollen ihre Verletzten mitnehmen. Der Flur ist jetzt sicherlich zu gefährlich.«
»Ich werde sie mitnehmen und mich nach den anderen ausstrecken, die noch leben«, antwortete sie. »Viel Glück euch allen.«
Paolina
Sie stellte die Taschenuhr darauf ein, Boas zu folgen, wo immer er sich auch aufhalten mochte. Selbst wenn sie sich wieder in großer Höhe im leeren Raum über dem Erdboden wiederfinden sollte, so bereitete ihr dies diesmal keine Sorgen. Sie sammelte die Funken der Matrosen und ihrer Verwundeten ein und machte einen Schritt. Dabei drückte sie sich ausreichend ab, um Blenheim Palace nicht noch weiter zu beschädigen.
Von einem Moment auf den anderen war sie von einem nebelumwölkten Obstgarten umgeben. Es war hier schon recht spät, also musste sie sich weiter nach Osten begeben haben. In der Nähe befand sich ein Gebäude in chinesischem Baustil, und davor hatte man einen Zierteich angelegt. Dahinter erhob sich etwas Riesiges und zeigte sich im Nebel nur als formloser, grauer Umriss.
Der Mönch trat aus dem Nebel auf sie zu, als ob sie schon immer da gewesen wäre.
»Willkommen. Du wurdest erwartet.«
»Wo ist Boas?«, verlangte Paolina zu wissen. »Ich hätte ihn mit dem Sprung erreichen sollen.«
Die Männer sammelten ihre Verwundeten auf und gingen geordnet in Richtung des Gebäudes. Auch al-Wazir war unter ihnen und stöhnte laut.
»Du hast ihn erreicht«, sagte der Mönch. »Dies ist der Jadetempel, und den kann man nun einmal nicht so leichthin betreten. Wir sind hierhergekommen, als du uns weggeschickt hast. Du befindest dich auf der Mauer und so nah bei deinem Geliebten, wie es auf deinen Wegen nur möglich war.
Auf der Mauer . Sie war schon einmal auf ihrer Spitze gewesen, als sie sie nach der Vernichtung der Nanyang-Flotte mit Ming überquert hatte. Es war einfach nur ein Ort gewesen, ein zu
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