Die Räder des Lebens
denken. Boas schien über Möglichkeiten zu verfügen, sich schnell an der Mauer entlang zu bewegen. Vielleicht handelte es sich dabei um die Messingwagen, die das Mädchen erwähnt hatte.
Alles wäre besser als dieser verfluchte Dschungel.
Ein chinesisches Luftschiff entdeckte sie am nächsten Tag, als sie vorsichtig eine Wiese aus hüfthohem Gras durchquerten, zwischen dem sich viel zu viele Schlangen aufhielten. Al-Wazir sah die ganze Zeit auf den Boden und bemerkte die Gefahr erst, als das laute Knallen mehrerer Handfeuerwaffen seine Aufmerksamkeit erregte.
Es schwebte gut dreihundert Meter über ihnen, schwebte aber noch gut vierhundert Meter hinter ihrer momentanen Position. Er hätte die Männer dafür auspeitschen lassen, dass sie ihre Munition auf diese Entfernung verschwendeten. Zwei Männer zu Fuß würden einem Luftschiff niemals entkommen können. Die da oben konnten es sich leisten, geduldig zu sein.
»Idioten.«
»Wir müssen weiter«, sagte Boas. »Vor uns befinden sich einige größere Felsbrocken, hinter denen wir Schutz suchen können.«
»Bis sie Männer am Boden absetzen, um uns aufzuscheuchen.«
»Wenn dem so ist, dann werden wir die Maßnahmen ergreifen, die uns zur Verfügung stehen. Aber es ergibt keinen Sinn, hier stehen zu bleiben, bis sie uns erschießen.«
»Das stimmt allerdings.«
Während sie die Ebene so schnell wie möglich überquerten, wurden noch mehrere Salven abgefeuert, aber sie kümmerten sich nicht weiter darum. Keine der Kugeln kamen ihnen auch nur nahe, aber al-Wazir spürte das ihm vertraute Prickeln der Angst, aber auch der Faszination, Gegenstand einer solchen Jagd zu sein. Bei jeder Schlacht der Bassett hatte er genau dasselbe empfunden.
Er war aber noch nie in der Situation gewesen, von vornherein zu wissen, dass ihnen eine sichere Niederlage bevorstand.
Sie kauerten hinter einem Paar Felsbrocken, die eine V-förmige Lücke bildeten, fast wie ein steinernes Dach. »Glaubst du, die Chinesen haben Interesse daran, Gefangene zu machen.«
Boas spähte über den Fels hinweg, den Speer in seiner Hand. »Ich bin nicht in der Lage, entsprechende Vermutungen anzustellen, aber ich fürchte eher nicht. Ihr Verhalten in den letzten Tagen lässt eher erwarten, dass solche Hoffnungen enttäuscht würden.«
»Es ist eine Heidenarbeit, einen Einsatztrupp von einem Luftschiff abzusetzen, wenn das Schiff nicht festgemacht werden kann«, sagte al-Wazir. Seine Rippen brannten wie Feuer.
Boas trat einen Schritt zur Seite, um einen besseren Überblick zu erhalten. »Das würde ich gewiss erwarten, aber sie lassen dennoch Seile herab.«
Al-Wazir seufzte. »Wir haben weder Gewehre noch Messer, mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht einmal die Kraft hätte, sie hochzuheben. Wenn ich der Typ für eine Kapitulation wäre, dann würde ich meine Unterhose an einen Stock binden und es einfach gut sein lassen.«
»Warte ab«, sagte Boas. »Es gibt immer einen nächsten Monat, der neue Möglichkeiten bringt.«
»Genau, neue Möglichkeiten, du großer Hornochse.«
»Wir sind noch nicht gefangen genommen, und wir haben noch nicht einmal gekämpft.«
»Das stimmt, mein Junge. Du hättest ’nen vernünftigen Soldaten abgegeben.«
Er ruhte sich im Schatten der Felsen aus, während Boas aus sicherer Position die Bewegungen des Feinds beobachtet.
»Bist du immer noch nicht in der Lage, ein Gewehr abzufeuern?«, fragte der Messing kurze Zeit später.
»Nein«, murmelte al-Wazir. »Selbst wenn ich eins hätte.« Er war in Gedanken dabei herauszufinden, ob er bei Gott Abbitte leisten müsste.
»Ich habe einen Plan entwickelt.«
Dem Decksoffizier hatte es nie an Fantasie gemangelt, aber sie saßen wirklich in der Patsche. Wie Boas der Ansicht sein konnte, dass sie sich aus dieser Lage befreien konnten, war ihm völlig unverständlich. »Bestens. Und wie lautet der Plan?«
»Ich gehe davon aus, dass die Chinesen dich in der Absicht jagen, dich zu töten. Soweit ich weiß, sind sie bisher noch nie mit Ophir in Kontakt getreten. Mein Aussehen wird sie daher vermutlich überraschen. Ich werde mich dem Trupp nähern, der gerade über die Ankertrossen am Boden abgesetzt wird, und um einen Waffenstillstand bitten. Es ist recht wahrscheinlich, dass sie mich an Bord ihres Luftschiffs nehmen werden, denn mich zu erschießen erscheint im Augenblick keine gewinnbringende Vorgehensweise zu sein. Im Gegensatz zu dir kann ich nicht mit einem gezielten Schuss getötet werden.«
»Gut. Dann bist du
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