Die Räder des Lebens
ein Gefangener an Bord dieses chinesischen Luftschiffs, und ich bleibe allein zurück mit einer gebrochenen Rippe.« Er kicherte und versuchte nicht zu lachen. »Es ist nicht so schwer zu verstehen, welchen Nutzen das für mich hat, aber ich verstehe nicht, was dir das bringen soll.«
»Ich gebe dir meinen Speer.« Boas legte die Waffe und positionierte die Ringe neu, die direkt hinter der keilförmigen Spitze in den Schaft eingelassen waren. »In Ophir ist dies ein Kapitalverbrechen, aber wir befinden uns im Augenblick nicht in Ophir. Wenn sich die passende Gelegenheit ergibt, wirst du den Blitz in den Tragkörper schießen. Schieß weiter, bis der Blitzspeer aufgebraucht ist. Mit ein wenig Glück geht der Tragkörper in Flammen auf.«
Er reichte al-Wazir den Speer, der ihn mit besonderer Vorsicht entgegennahm. Diese Waffen hatten damals vor den Palisaden von Ottweills Lager Blitze verschossen. Er war nicht sonderlich begeistert davon, einen von ihnen in der Hand zu halten, selbst wenn es sich um ein technologisches Wunder handelte und in London ein nettes Sümmchen erbringen würde. »Ich bin nun wirklich nicht der Hellste, aber selbst mir fallen da ein paar Schwächen in deinem Plan auf.«
»Ich besitze die Kraft von vier oder fünf Deinesgleichen«, sagte Boas. »Ich konnte dich über schwieriges Gelände tragen. Vielleicht fesseln sie mich, vielleicht bewachsen sie mich, aber es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass ich mich befreien und das Ruder erreichen kann. Ich werde das Luftschiff Richtung Süden und nach unten steuern, um so niedrig wie möglich über deine Position zu fliegen. Du wirst dann auf den Tragkörper schießen.«
»Während hundert wütende Chinesen dich angreifen, kurz bevor ein Ballon voll Wasserstoff über deinem Kopf explodiert.« Al-Wazir richtete sich auf und packte den Speer. »Und warum solltest du etwas so Dummes tun?«
»Ich möchte sie wiedersehen.« Boas sprach sehr leise. »Allein werde ich sie nicht finden. Dein Leben zu retten ist meine einzige Chance.«
»Dann mach dich auf den Weg«, sagte al-Wazir, der ein Selbstmordkommando erkannte, wenn es ihm ins Gesicht sprang.
Boas ging an den Felsen vorbei ins Tageslicht. Einen Augenblick später hörte al-Wazir, wie der Messing die Chinesen laut anrief.
Er musterte den Speer und ließ jedoch lieber die Finger von den drei voreingestellten Ringen direkt hinter der Spitze. Er wollte auf keinen Fall riskieren, aus Versehen die Einstellungen zu ändern, die Boas vorgenommen hatte.
Außerhalb seines Verstecks waren Faustschläge zu hören. Boas lenkte sie offensichtlich ab. Er widerstand dem Verlangen, einen schnellen Blick zu riskieren. Sollten sie sich nur um den Messing kümmern. Wenn sich das Luftschiff wieder bewegte, würde er seine Chance nutzen. Wenn nicht, dann wünschte er dem Messingmann alles Gute und sich selbst ein nettes, kleines Versteck, in dem er sich verbergen konnte – um sich zu erholen oder zu sterben.
Wenige Minuten später waren wieder Schüsse zu hören. Al-Wazir nahm das als sein Zeichen und stand unter großen Schmerzen auf.
Das Luftschiff schaukelte noch ein wenig im Wind, behielt aber seine Position in einer Entfernung von etwa vierhundert Metern und auf etwa sechzig Meter Höhe dank geringer Motorenleistung bei. Die Seile hingen noch ab, und zwei Männer wurden gerade in Bootsmannsstühlen nach oben gehievt, als die Motoren laut aufheulten. Al-Wazir sah mit großer Freude zu, wie die Nase des Luftschiffs wackelte und sich dann steil nach unten senkte. Es nahm Geschwindigkeit in seine Richtung und die Mauer hinter ihm auf.
Der Bootsmann schloss eine Hände fest um den Blitzspeer und fragte sich, wo und wie er ihn packen musste, um einen Schuss abzugeben. Al-Wazir ließ seine Hände den Schaft auf und ab gleiten und versuchte eine Arretierung oder den Abzug zu finden.
Ihm wurde schlagartig klar, dass er um eine Einweisung hätte bitten sollen.
Das Luftschiff begann zu schwanken und ging durch den Wind. Al-Wazir wurde klar, dass, wenn es diese Wende vollzog, es ihm nicht näher kommen würde als in diesem Augenblick. Er richtete sich auf und bereitete sich vor, als die Nase in die andere Richtung schwenkte. Zwei Männer fielen herunter. Das Chaos an Deck war nun deutlich zu hören.
Er hatte gegen die Messing gekämpft und wusste, was für Furcht erregende Gegner sie im Nahkampf waren. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, mit was der chinesische Kapitän gerade zu kämpfen hatte, denn
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