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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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die einzige Lösung, Boas zu übermannen, war vermutlich, die gesamte Besatzung das Poopdeck stürmen und sich auf den Messing stürzen zu lassen.
    Das Schiff neigte sich erneut nach unten, und wieder heulten die Motoren auf. Es befand sich nun fast genau über ihm. Er zielte und drückte verzweifelt die Finger auf den untersten der Ringe hinter der Speerspitze, weil er nicht weiterwusste. Er zupfte daran, nichts geschah. Er drehte ihn, nichts geschah.
    Doch auf einmal schoss unter hohem Druck ein Blitz aus der Spitze und blendete al-Wazir kurzzeitig. Als seine tränenden, zusammengekniffenen Augen langsam wieder zu sehen begannen, sah er, dass ein Teil des Tragkörpers zu schwelen begonnen hatte. Mittschiffs stieg von der Backbordreling Rauch auf.
    In seiner Nähe waren Schreie zu hören. Das mussten die letzten Matrosen am Boden sein, die ihrem Schiff hinterherrannten und nun herausgefunden hatten, wo er sich versteckte.
    Eins nach dem anderen, ermahnte sich al-Wazir. Wenn er sie erst alle getötet hätte, würde Gott die Seinigen schon erkennen.
    Ein weiterer Schuss, doch diesmal schloss er im letzten Augenblick die Augen. Als er sie öffnete, sah er einen brennenden Mann fast genau auf sich hinabstürzen. Sein lauter Schrei endete mit einem schmatzenden Aufprall; der Gestank von Blut und Scheiße vermischte sich direkt auf der anderen Seite der ihn schützenden Felsen.
    Das Luftschiff war fast an ihm vorbei. Aller guten Dinge, aller guten Dinge … Er zielte noch einmal, schoss und hielt die Augen geschlossen, während er bis drei zu zählen beabsichtigte.
    Er hatte gerade ›zwei‹ gemurmelt, als ein Knall ertönte, der zu laut war, um ihn hören zu können. Eine Druckwelle kochend heißer Luft schoss explosionsartig über ihn hinweg. Al-Wazir öffnete die Augen und rutschte auf seinen Fels, um alles niederzumähen, was sich ihm näherte. Er versuchte nicht an den brennenden Rumpf zu denken, der auf ihn hinabzustürzen drohte, oder wo Boas stecken könnte und wie der Messing auch nur hatte glauben können, dass er das überlebte.
    Drei Matrosen hatten ihn fast erreicht, als al-Wazir den Blitz auf sie richtete und sie in rauchende, stinkende Hälften zerteilte. In diesem Augenblick fiel ein Bruchstück des Rumpfs von der Größe eines Frachtkahns auf sie herab. Er warf sich vom Fels hinunter und kroch in die tiefsten Schatten seiner felsigen Zuflucht, in der Erwartung, dass nun der Rest der Flammenhölle vom Himmel regnen würde.
    Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
    Al-Wazir nahm seine Arme vom Kopf und kroch wieder hervor, um über den Felsrand zu schauen. Auf der Wiese lagen überall die brennenden Reste des Tragkörpers.
    Er schlurfte auf das rauchende Feld hinaus, um nach seinem Freund und Retter zu suchen, und hielt den Speer jederzeit bereit. Boas lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und war zum Teil in Seile eingewickelt. Al-Wazir stieß ihn sanft an und setzte sich dann vorsichtig neben den Messingmann. Er schaffte es, Boas umzudrehen. Die Metallaugen starrten ins Leere, der Kopf war regungslos, aber der Messing schien nahezu unbeschädigt zu sein. Es waren mehrere Dellen zu erkennen, auch angebrannte Stellen, aber er hatte noch alle Arme und Beine. Nichts schien locker zu sein.
    Al-Wazir zog kurz an Boas’ Schulter. »Haben sie dir den Schädel eingeschlagen, du gottverdammter Dummkopf?«
    Keine Antwort.
    Er blieb dort eine Zeit lang sitzen, denn ihm war bewusst, dass er Boas unmöglich zu ihrer Zuflucht zurückschleifen konnte. Stattdessen stand al-Wazir unter Schmerzen auf und suchte genügend Holzreste zusammen, um ein kleines Feuer zu machen. Es anzuzünden, fiel ihm nicht sonderlich schwer, denn viele der Trümmerteile in seiner Nähe glühten noch.
    Die Chinesen ließ er tot auf dem Boden liegen. Er war verletzt, und er hatte außerdem keine Schaufel. Da die asiatischen Bastarde zweimal versucht hatten, ihn umzubringen, fühlte sich al-Wazir nicht dazu gezwungen, ihnen diese Gunst zu erweisen.
    Stattdessen sah er zu, wie die Sterne am Himmel erschienen, versuchte sich warmzuhalten und berührte Boas gelegentlich, weil er hoffte, dass es ihm Glück brachte.
    »Es sollte nicht so sein«, sagte Boas etwa gegen Mitternacht.
    Al-Wazir schreckte aus dem Schlaf auf. Nun, er hatte nicht wirklich geschlafen, sondern wegen der Schmerzen nur ein wenig gedöst. Er rieb sich den Sand aus den Augen und musterte den Messing. »Du lebst?«
    »Zumindest existiere ich.« Boas saß auf, begleitet

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