Die Räder des Lebens
vom Quietschen beanspruchten Metalls. »Es ging mir schon besser.«
»Es wird eine Menge Leute geben, die nachsehen werden, was von einer lauten Explosion begleitet an diesem Nachmittag in Flammen aufgegangen ist. Wenn du dich wieder zum Gehen bringen kannst, sollten wir uns auf den Weg machen.«
»Und du«?, fragte Boas.
»Ich auch.«
Wie ein Paar verkrüppelter Liebhaber folgten sie dem Weg, der sie auf diese Wiese gebracht hatte, und stiegen hinauf zu Fuß der Mauer. Sie mussten an einem weiteren großen Bruchstück des chinesischen Luftschiffs vorbeigehen, aber es schienen ihnen keine Feinde aufzulauern. Nur die Nacht, Erschöpfung und die Verletzungen, die sie bereits erlitten hatten, stellten sich ihnen in den Weg.
Sie gingen, gingen immer weiter. Sie konnten nichts anderes tun.
Childress
Sie starrte Admiral Shang an und fragte sich, was genau er mit seiner Frage betreffs Poinsard beabsichtigte. Da sie über keine weiteren Informationen verfügte, entschloss sie sich zu offenen Worten. »Ich bin an ihrer Stelle hier.«
Leung übersetzte.
»Vereinbarungen wurden getroffen«, antwortete Shang auf Englisch.
»Ich werde mich an sie halten.« Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber Childress wusste, dass sie den Gesprächsverlauf kontrollieren musste, oder sie war verloren. »Die Goldene Brücke in Chersonesus Aurea stellt eine große Bedrohung für das Himmlische Kaiserreich dar, und nicht nur für es, sondern für die gesamte Nördliche Welt. Ich bin anstelle von Maske Poinsard entsandt worden, um Informationen weiterzugeben, die sie selbst nicht weiterzugeben bereit war.«
Erneut wurde übersetzt, erneut folgten Fragen und Antworten. Der Kapitän wandte sich schließlich ihr wieder zu. »Ich soll Ihnen zur Beförderung gratulieren. Der Admiral ist mit dieser Nachfolgeregelung vertraut, und er ist beeindruckt, dass eine fremdländische Frau den Mut beweist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.«
Childress spürte, wie Verzweiflung von ihr Besitz zu ergreifen drohte. Ihm nun zu danken, würde ihr Lügengebäude nur noch komplizierter machen und sie in Situationen bringen, die sie zu vermeiden suchte. Aber sie hatte keine Wahl. Sie hatte sich auf ihr neues Leben festgelegt.
»Ich werde Ihren Schlussfolgerungen nicht widersprechen, Admiral Shang. Ich bin jetzt hier, die Maske Poinsard nicht. Und ich hätte wohl kaum die lange und anstrengende Reise auf mich genommen, nur um Ihnen Plattitüden aufzutischen.«
Bitte schön , dachte sie, soll er sich doch daran die Zähne ausbeißen . Ihr wurde klar, dass Leung ebenso wenig von ihrer Aussage begeistert war, das ließ zumindest seine verdrießliche Miene vermuten. Childress schenkte dem Admiral das schwache Lächeln, das einst missratenen Studenten und übereifrigen Handelsvertretern vorbehalten war.
»Der Admiral entschuldigt sich, sollte er sich ein falsches Bild von der Situation gemacht haben«, sagte er. »Er bittet Sie, ihm Ihre Bedenken zur Goldenen Brücke mitzuteilen.«
Eine weitere Tür durchschritten, eine weitere Treppe in ihrem Lügengebäude erklommen. Sie ließ ihre Schuldgefühle hinter sich. Es war an der Zeit, ihr Gespräch mit Leung zu wiederholen. »Die Südliche Welt ist ein finsterer und magischer Ort«, sagte Childress.
Als sie mit ihrem Vortrag fertig war, wich Childress einen Schritt zurück. Der Admiral nickte geistesabwesend. Dann begann er eine längere Diskussion mit Leung, und die beiden sprachen leise miteinander, ohne weiter auf sie zu achten. Childress ging zum nächsten Fenster und sah auf das hektische Treiben Tainans hinab.
Die Straße vor der Admiralität Beiyangs unterschied sich nicht von denen, auf denen sie auf ihrem Weg von der Five Lucky Winds hierher gegangen waren. Diesmal hatte sie aber den Vorteil, von einem festen Standpunkt aus alles in sich aufzunehmen. Außerdem fühlte sie sich wieder in der Lage, klare Entscheidungen zu treffen. Das Leben im Hafenviertel Tainans entfaltete sich vor ihren Augen – Obstverkäufer, Männer mit kleinen Metallöfen auf Stangen, Hunde, die im Schatten herumlagen, Feuerwerksverkäufer, Händler auf ihren Fahrrädern, hektische Studenten, Matrosen, farbenprächtig gekleidete Frauen und ruhige Diener.
Je länger sie sich den Ort anschaute, umso weniger schien er sich von New Haven zu unterscheiden. Wie hatte sie Tainan nur als so fremd empfingen können? Selbst die Chinesen wirkten auf einmal normal, was dazu führte, dass sie den groß gewachsenen Europäer,
Weitere Kostenlose Bücher