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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Bogenform gehalten und mit Ziegelsteinen höherer Qualität verziert. Die Torflügel bestanden aus massivem, mit einem dunklen Metall verstärktem Holz.
    Er sah weder Schießscharten noch Mordlöcher, nichts außer dem Dach selbst, von dem aus Waffen hätten abgefeuert werden können. Es waren auch keine Wachen zu sehen. Nur ein Tor, das den Weg versperrte.
    »Wen hält das denn fern?«, fragte al-Wazir. »Mal abgesehen von uns?«
    »Vielleicht sollten wir uns die Frage stellen, wen es einsperrt.«
    Al-Wazir trat an das Tor heran und nutzte das Ende des Blitzspeers, um auf das metallverstärkte Holz zu schlagen. Eine Art Klopfer für eine überzogen große Tür.
    Lautes Dröhnen ertönte, klang kurz nach, aber das war auch die einzige Reaktion.
    Kurz darauf schlug er erneut zu.
    Wieder Stille.
    Al-Wazir hockte sich in dem schmalen Bogenschatten hin. »Und was nun?«
    »Wir suchen uns einen Weg, der daran vorbeiführt«, sagte Boas. »Die Mauer ist hier sehr steil und würde uns ernsthafte Schwierigkeiten bereiten, wenn wir sie erklimmen wollten. Wenn wir allerdings den Weg etwa vierhundert Meter zurückgehen und vorsichtig hinaufklettern, dann könnten wir das Felsknie überwinden, in welches das Tor hineingebaut wurde. Dann könnten wir auch sehen, was dahinter liegt.«
    Der Aufstieg erwies sich als sehr schwierig. Al-Wazir rutschte an einer Stelle aus, an der er von einer Ausbuchtung Dutzende Meter hinabgestürzt wäre. Er konnte diesen schreckenerregenden Moment nur überwinden, indem er geistesgegenwärtig zugriff, sich dann nach oben zog und vorsichtig weiterging. Als sie den nächsten sicheren Aufenthaltsort erreichten, zitterte er eine Zeit lang, bevor sie weitergehen konnten.
    Schließlich fanden sie sich auf dem Felsknie wieder, das sich über dem Torhaus erhob. Das Dach des Gebäudes war flach und von einer Mauer umgeben, die hüfthoch zu sein schien. Es gab keinen erkennbaren Weg hinauf oder hinunter.
    Dahinter erstreckte sich eine Holzbrücke, die auf die Stützpfeiler einer längst verschwundenen Steinbrücke gebaut worden war. Der Wasserfall stürzte von einer Höhe, die Al-Wazir eben fast hinabgestürzt wäre, unter ihr hindurch.
    Er sah keinen Weg, der sie von diesem Felsknie herunterbringen würde. Der Bootsmann drehte sich um und sah zur Mauer hinauf. Der rauschende Bach floss durch ein tiefes Bett einen steilen Abhang hinunter. Ihn zu überqueren, wäre ein höllisches Unterfangen, und je höher sie zu klettern versuchten, umso steiler würde alles werden.
    »Wir müssen wieder hinunter«, sagte er.
    »Nein.« Boas trat an den Rand des Felsknies und schwankte leicht, als er zum Torhaus hinabsah. »Wenn wir auf das Dach hinabklettern, können wir auf der Gebäuderückseite hinuntersteigen und weitergehen.«
    »Das ist praktisch freier Fall auf das Dach da unten«, protestierte al-Wazir, »und wir wissen nicht, was dahintersteckt. Ich will auf keinen Fall da draufspringen. Das sind mindestens zehn Meter. Ich bin nicht dafür gebaut, so tief zu fallen.«
    »Unsere einzige Alternative besteht darin, Richtung Westen entlang der Mauer zu gehen und hinaufoder hinabzuklettern, um die Straße auf einer anderen Höhe zu umgehen.«
    Al-Wazir seufzte. »Das dauert mehrere Tage, und wir wissen nicht, ob das überhaupt was bringt.« Das Torhaus lag vielleicht doch nicht so tief unter ihnen, wie er gedacht hatte.
    Sie kletterten sehr langsam an der Krümmung unterhalb des Knies nach unten.
    Als Boas abglitt und stürzte, erstarrte al-Wazir. Er hörte dröhnendes Krachen, konnte seinen Kopf aber kaum zur Seite drehen, um nach unten sehen zu können. Der Metallmann lag ausgestreckt auf dem Dach des Torhauses. Er war nicht auseinandergebrochen, aber er bewegte sich auch nicht.
    Langsam, sagte er sich. Langsam, langsam, langsam.
    Für die letzten Meter benötigte er eine halbe Stunde. Als seine Füße Stein unter sich spürten, waren seine Finger blutig und seine Arme zitterten so sehr, dass er sich hinsetzen und sich ausruhen musste. Er hatte keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, den Blitzspeer festzuhalten.
    Boas lag regungslos vor ihm und starrte ausdruckslos in den Himmel.
    Al-Wazir erinnerte sich daran, wie Boas sich von dem Sturz vom chinesischen Luftschiff erholt hatte. Er wartete in aller Ruhe neben seinem Freund.
    Mit der Dunkelheit kam eine Kälte, die nach al-Wazirs Erfahrungen in dieser Höhe auf der Mauer ungewöhnlich war. Der Deckoffizier sah die Sterne hinter dem hellen Umhang des Tags hervorkommen

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