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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ihr und ihrem Ziel lagen.
    Stattdessen suchte sie nach Fischerbooten oder anderen Schiffen, nach jemandem, bei dem sie davon ausgehen konnte, dass er sie einsammelte, sollte sie über die Reling fallen. Doch am heutigen Abend lag das Mittelmeer, das zu den meistbefahrenen Meeren der Welt zählte, allein und verlassen da.
    Wo fuhren sie hin – und warum?
    Al-Wazir
    Als der Abend hereinbrach, marschierten Al-Wazir und Boas die Straße gemeinsam mit ihren Begleitern entlang. Aus nächster Nähe war die Nachahmung der Messingmenschen umso deutlicher zu erkennen. Selbst die Waffen, die die Soldaten trugen, waren Kopien – Speere mit schweren Köpfen und Metallringen, die an Ophirs Macht erinnerten.
    Ein halbes Dutzend Marineinfanteristen hätte diesen Trupp in seinen strahlend polierten Rüstungen zu Hackfleisch verarbeitet, dachte er.
    Sie waren nicht Gefangene im eigentlichen Sinne. Es hatte eher etwas von begleitetem Reisen. Der Trupp hatte keine Anstalten gemacht, al-Wazir und Boas ihrer Besitztümer zu entledigen, und schon gar nicht, ihnen den Blitzspeer zu nehmen. Sie hielten respektvoll Abstand, schritten voran und folgten ihnen, zwangen sie aber nicht dazu, irgendwelchen Befehlen Gehorsam zu leisten.
    Was ihn während ihres Marschs durch die abendliche Dunkelheit vor allem interessierte, war die Möglichkeit, etwas zu essen zu bekommen und sich ausruhen zu können. In der Ferne war ein Glühen zu erkennen und damit hoffentlich auch eine Unterkunft. Wenn das augenblickliche Wohlwollen auch weiterhin aufrechterhalten würde, dann würde al-Wazir seine Wünsche erfüllt bekommen.
    Boas machte ihm wesentlich mehr Sorgen. Der Metallmann ging in einem Tempo, das für seine Verhältnisse unerträglich langsam war, und er hinkte und klapperte dabei. Al-Wazir hätte ihm seine Hilfe angeboten, aber er konnte sich nicht vorstellen, wie er ihm hätte helfen können.
    »Bist du in der Lage, dich selbst zu reparieren?«, fragte er leise.
    »Es liegt nicht ihm Rahmen meiner Möglichkeiten, Teile wiederherzustellen, die schwere Torsionsschäden erlitten haben.« Boas schepperte einige Schritte weiter. »In meinem Siegel liegt große Macht verborgen, aber es gibt Verletzungen, die selbst die salomonische Magie nicht wieder in Ordnung bringen kann. Ich benötige die Hilfe eines gut ausgebildeten Schmieds, der über eine ruhige Hand verfügt.«
    »Tja. Ich nehme an, es wäre ungefähr so, als ob irgendein Kerl in meinem Fleisch herumfuhrwerkte, um einen Knochen zu richten.«
    Der Messing gab ein klapperndes Schnauben von sich. »Ein passender Vergleich, Bootsmann.«
    Sie kamen dem Glühen in der Ferne langsam näher, und wenigstens al-Wazir war guter Hoffnung. Diese seltsamen schweigenden Männer hatten äußerst aufwendige Rüstungen als Ebenbild der Messing geschaffen. Ihre Schmiede müssten doch mit einem Hammer umzugehen wissen und das sicher mit einer ruhigen Hand.
    Sie konnten nichts anderes tun als weiterzugehen und auf die göttliche Fügung und ihre Hoffnung zu vertrauen.
    Die Straße verlief um eine hohe Felssäule herum, die unter dem hellen Sternenlicht messingfarbene Einschläge aufwies. Die ursprünglichen Architekten hatten hier einen schmal zulaufenden Tunnel aus dem Fels geschlagen, sodass nasskaltes Gestein über al-Wazirs Kopf dafür sorgte, dass er die Lichter vor ihnen nicht mehr sehen konnte. Die vielen Kilometer Afrikas zu ihrer Linken waren aber vereinzelt noch zu erkennen. Hier, tief im Kontinent verborgen, gab es weder Feuer noch Lichter, die die Nacht erhellten. Er sah nur die schattenhaften Umrisse von Bäumen und die weiten Trockensavannen. Selbst hier, kilometerweit über der Ebene, war der entfernte Duft von Hügeln aus rotem Kalkstein zu riechen, trotz des kräftigen Geruchs von Wasser und Gestein auf der Straße.
    Irgendwo in der Nähe hörten sie einen Wasserfall rauschen, größer und mächtiger als der, den sie hinter dem Torhaus gesehen hatten. Ein Nebel aus feinsten Wassertropfen glitzerte in der Luft. Das Geräusch war stetig lauter geworden und hatte sich von einem fernen Flüstern erst zu einem deutlichen Rauschen und jetzt zu einem nassen Donnern gesteigert.
    Der kleine Trupp kam am äußersten Rand der Kurve vorbei, und al-Wazir wurde langsamer, bis er schließlich stehen blieb. Der Wasserfall war mit Abstand der größte, den er in seinem gesamten Leben gesehen hatte. Der Weg brach nicht weit vor ihnen ab – ihm wurde klar, dass dieser Wasserfall noch nicht so groß gewesen war, als

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