Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
schwinden.
    Der Wagen kam schließlich unter lautem Klappern zum Stehen. Sie betraten eine große Halle, deren electrische Leuchten flackerten. Hinter ihnen lag das Loch im Boden, durch das der Seilbahnwagen heraufgekommen war; über ihnen drehte sich in einem Turm ein riesiges Eisenrad, über das das Drahtseil geführt wurde. In der Nähe keuchte und ächzte ein Motor, der die Antriebskraft dafür lieferte. Hier war der Wasserfall nicht mehr ganz so laut. Er fragte sich, ob sie in die Mauer hineingefahren waren.
    Abgesehen von den Maschinen hatte dieser Raum durchaus Ähnlichkeit mit den großen Kathedralen Europas. Säulen stützten eine hohe Gewölbedecke ab. Der Boden war mit verschiedenen Mustern aus Steinen und Kacheln verziert, auf denen Zeichen aufgemalt oder eingebrannt waren. Zwischen den Säulen befanden sich mehrere Nischen, in denen Plastiken die endlose Wanderung langer, schlanker Fische darstellten.
    Auch die Säulen waren mit dem Meißel bearbeitet worden. Al-Wazir erkannte schnell, dass es sich um Darstellungen brutaler, verdorbener Szenen handelte, auf die man sich in den klammen Schatten an diesem Ort nur schwerlich konzentrieren konnte. Was vermutlich auch besser war, denn einige der Bilder enthielten Tentakel und Schlimmeres.
    Ein weiteres, bisher unterschlagenes Gebäude? Wie machten sie das bloß?
    Erneut herrschte Verwirrung unter den Soldaten, aber dann wurden sie durch den großen Raum zu einer Tür gebracht, die im Schatten lag. Ihre Begleitung trat dort zur Seite. Es war deutlich, wo die Neuankömmlinge als Nächstes hingehen würden.
    Boas sagte kein Wort, aber wenn al-Wazir voranschritt, dann folgte er ihm. Was immer man für den Messingmann tun konnte, würde hier getan werden. Sie näherten sich der Tür, die etwa viereinhalb Meter hoch und zweieinhalb Meter breit war. Die Schnitzereien auf den beiden Türflügeln waren zugleich faszinierend und abstoßend – Darstellungen von Tintenfischen und Schlangen und Männern, die miteinander im Kampf lagen und sich zugleich auf das Leidenschaftlichste umarmten. Sie schienen sich zu winden. Es handelte sich also nicht um eine Kathedrale, sondern um den Tempel einer anderen Spezies.
    Widerwillig legte al-Wazir seine Hand auf die Klinke und öffnete die Tür.
    Der Raum dahinter war noch größer als das, was sie seit der Seilbahn gesehen hatten. Er musste aus dem Fels der Mauer geschlagen worden sein, denn nur ihre Unermesslichkeit machte so etwas möglich.
    Er war außerdem dunkler, denn hier fehlten die electrischen Leuchten. Nur einige Binsenlichter flackerten vor sich hin. Ein unerträglich widerlicher Gestank zwang al-Wazir dazu, seinen Mund weit zu öffnen, damit er nicht durch die Nase atmen musste.
    »Sei froh, dass du Messing bist«, flüsterte er Boas zu.
    Etwas bewegte sich vor ihnen im Wasser, so groß, dass es Wellen zu schlagen schien. Es war riesig, es befand sich in der Mitte des Raums. Es überragte al-Wazir.
    Er ging langsam weiter. Ein schwaches Schimmern war zu sehen, obwohl er zuerst nicht erkennen konnte, um was es sich handelte. Vor al-Wazirs geistigem Auge entstand ein Bild enormer Masse – das genaue Gegenteil dessen, was man in einem riesigen, unbeleuchteten Raum erwartete.
    Wasser klatschte erneut, und dann war eine so tiefe Stimme zu hören, dass man sie kaum verstand, abgesehen davon, dass er ihre Sprache nicht beherrschte. Al-Wazirs Knochen wurden durch den tiefen Ton in Schwingungen versetzt.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte al-Wazir, »aber ich verstehe Euch nicht.«
    Ein Schweigen folgte, das nahezu greifbar schien. Dann: »Ein Siegel ist vor mir erschienen.«
    Einen kurzen, panischen Augenblick lang wusste al-Wazir mit der Aussage nichts anzufangen, bis ihm klar wurde, wovon das Wesen sprach. »Er ist beschädigt und funktioniert nicht einwandfrei.«
    Ein weiteres, langes Schweigen. »Das Siegel ist zu mächtig und kann nicht gebrochen werden.«
    »Nein«, sagte al-Wazir. »Es ist sein Körper. Er benötigt die Hilfe eines rechtschaffenen, guten Rüstungsschmieds.«
    Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Al-Wazir erblickte einen riesigen Wasserbehälter, dessen Glaswände sich weit über ihm erhoben, und darin bewegte sich ein Wesen von beträchtlicher Größe.
    »Er könnte auseinandergenommen und sein Siegel einer anderen Nutzung zugefügt werden.«
    Ein langes, langsam blubberndes Geräusch folgte, das er schließlich als Lachen interpretierte. »Ihr werdet es nicht erlauben?«
    »Nein. Ich werde

Weitere Kostenlose Bücher