Die Räder des Lebens
holten jeden einzelnen Teller, jedes Messer, jede Gabel und jede Karaffe aus dem Passagierspeisesaal, um sie zu säubern. Sie reinigte jedes einzelne Stück und brachte dann alles wieder in Ordnung. Im Lauf ihrer Arbeit knallte draußen einmal eine Luke, als Paolina gerade eine Bowlenschüssel polierte, aber sie sah nicht auf.
Wer immer draußen gewesen war, kümmerte sich nicht um sie.
Kurz nach der Mittagsglocke meldete sich die Star of Gambia mit einem langen Pfeifton. Das Schiff begann, sich unter lautem Gebrüll auf Deck in Bewegung zu setzen. Paolina wusch gerade die Messer und sah nicht einmal auf.
Sie versteckte sich nicht und gab auch nicht vor, verliebt oder verängstigt zu sein. Es war einfach nur ein Tag harter, ablenkender Arbeit, der in Praia Nova völlig normal gewesen wäre. Es gab hier mehr Gabeln als in ihrem gesamten Dorf. Niemand in in ihrer Gemeinde hatte jemals von einer Bowlenschüssel gehört. Sie hatte nichts gegen das befriedigende Gefühl, etwas wirklich sauber zu machen, und der Steward machte auch keine Anstalten, seine angebliche Rolle auszunutzen. Es war also alles in Ordnung.
Als Paolina nach draußen ging, fuhren sie sehr nahe an Dünen vorbei. Einige Männer auf Kamelen sahen ihnen vom Ufer aus zu. Sie hatten sich Gewehre übergehängt.
»Suez«, sagte der Steward. »Wir jetzt reisen Indischer Ozean.«
Das waren die ersten Worte, die er an diesem Tag von sich gab.
Da Paolina nicht wusste, wer ihnen zuhörte, nickte sie einfach nur. Sie sah zu, wie die Wüste an ihnen vorbeizog und fragte sich, wo all die Passagiere waren. Es schien ihr im Moment zu gefährlich, Fragen zu stellen.
Das Kanalufer wies seichte Stellen auf. Eine breite Wasserstraße trug die Star of Gambia und ein halbes Dutzend anderer Schiffe langsam durch die Wüste. An einigen Orten entlang des Ufers waren seltsame Bäume mit luftiger Krone gepflanzt worden, aber abgesehen davon war es hier verlassener als das Mittelmeer nahe Alexandria. Sie fand großen Gefallen an den Schattierungen des Sandes, den Farben des Gesteins und daran, wie das Licht mit dem rauen Gelände spielte. Das Land war von einer schlichten, strengen Schönheit, die sie auf a Muralha nie gesehen hatte.
Nachdem sie eine Zeit lang in einem breiten See mit geringem Tiefgang gewartet hatten, damit einige Schiffe an ihnen vorbei in Richtung Norden und damit dem Mittelmeer entgegen fahren konnten, befuhr die Star of Gambia einen weiteren Kanalabschnitt. Paolina suchte sich ein schattiges Plätzchen und sah zu, wie sie vorankamen, bis sie einen breiten Abschnitt dunkelblauen Wassers erreichten, wo sich die kleinen Holzboote nur so tummelten.
Das Meer. Der Indische Ozean.
Ihr wurde bewusst, dass sie den ganzen Tag allein gewesen war, ohne etwas zu essen oder auf andere Passagiere zu treffen. Selbst die wenigen Besatzungsmitglieder, die sie erblickt hatte, hatten Distanz gewahrt.
Jeder an Bord der Star of Gambia wusste nun, wer sie war. Nicht ihren Namen, aber dass die Briten nach ihr suchten; der Grund für den Umweg, den das Schiff eingeschlagen hatte. Paolina umarmte sich kurz selbst. Es war egal. Es gab nicht mehr viel, was es zu verraten gab. Sie musste nur an Bord bleiben, solange das Schiff südwestlich Richtung Mogadischu dampfte; dann wäre sie fast wieder bei a Muralha . Sehr weit von zu Hause fort, aber doch in der Heimat.
Die Briten und ihre Schoßhunde des Schweigsamen Ordens würden sie hier niemals finden.
Als sie sich in ihre Kabine zurückzog, fragte sich Paolina, was wohl aus ihrem Leben geworden wäre, hätte sie sich von der Musik in Alexandria verzaubern lassen und ihren Namen aufgegeben. Sie konnte es sich nicht einmal vorstellen, und das trieb ihr die Tränen in die Augen.
Al-Wazir
Der Mittag kam und ging, ohne ein Lebenszeichen von Boas oder den Schmieden. Al-Wazir fuhr damit fort, die Wege und Seilbahnen der Wasserfallstadt zu betrachten und ließ sich bis auf die Haut durchnässen, während er auf dem Felsvorsprung hin- und herging.
Es gab keinen Grund, von hier zu verschwinden. Er wusste nicht, wohin er gehen oder wo er zu suchen anfangen sollte.
Er hatte die Hütte dreimal durchsucht. Vielleicht hatte er ja eine Falltür oder einen geheimen Zugang zu einem Arbeitsraum irgendwo im Gestein der Mauer übersehen, aber er hatte jedenfalls nichts entdeckt. Also war er wieder zu dem Felsvorsprung gegangen und blickte sich um.
Erneut fielen ihm die beeindruckende Schönheit und die geradezu bizarre Ingenieurskunst der
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